Bedeutsame Vorkommnisse

Inhaltsverzeichnis

Seit dem Inkrafttreten der neuen Strahlenschutzgesetzgebung, sind Strahlenschutzverantwortliche dazu verpflichtet, dass in systematischer Weise, Maßnahmen zur Erkennung, Vermeidung und Aufarbeitung von bedeutsame Vorkommnissen getroffen werden.

Grundlage für diese Zusammenfassung ist der Leitfaden zum Umgang mit Vorkommnissen in Röntgendiagnostik und Nuklearmedizin von M. Borowski et al. der im Rahmen eines vom Bundesamt für Strahlenschutz geförderten Ressortforschungsvorhaben entstanden ist. Einige Teile wurden übernommen, einige Teile ergänzt oder weggelassen. Wir bedanken uns herzlich bei Herrn Borowski für die Genehmigung, den Artikel verwenden und zitieren zu dürfen. Zur besseren Lesbarkeit wird auf korrektes Zitieren verzichtet.

Anmerkung: Bislang beschränkt sich der Artikel auf Vorkommnisse in der Röntgendiagnostik, wir arbeiten an der Vervollständigung.

Begriffsdefinitionen

Begriff Definition
Ereignis
Beabsichtigter oder unbeabsichtigter Tätigkeitsablauf
Vorkommnis
Ereignis, das zu einer unbeabsichtigten Exposition geführt hat, geführt haben könnte oder führen könnte
Bedeutsames Vorkommnis
Behördlich meldepflichtiges Vorkommnis, das mindestens ein Kriterium der Anlage 14 oder 15 StrlSchV erfüllt
Dosiswerte oder empfohlene Aktivitätswerte für typische Untersuchungen bezogen auf Standardphantome oder auf Patientengruppen für einzelne Gerätekategorien

Einleitung

Mit dem Inkrafttreten des Strahlenschutzgesetzes (StrlSchG) und der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) wurde die europäische Richtlinie 2013/59/Euratom zum 01.01.2019 in deutsches Recht überführt. In § 90 Abs. 1 StrlSchG wird die Bundesregierung ermächtigt, Strahlenschutzverantwortliche (SSV) zu verpflichten, Vorkommnisse, die im Rahmen geplanter Expositionsszenarien in ihrem Zuständigkeitsbereich auftreten, aufzuzeichnen, zu untersuchen und ggf. an eine zuständige Behörde zu melden. Nach § 1 Nr. 22 StrlSchV ist ein Vorkommnis ein strahlenschutzrelevantes Ereignis in geplanten Expositionssituation, das zu einer unbeabsichtigten Exposition geführt hat, geführt haben könnte oder führen könnte.

Ob ein sonstiges oder ein behördlich meldepflichtiges bedeutsames Vorkommnis vorliegt, wird in § 108 Abs. 1 StrlSchV bzw. in den zugehörigen Kriterienkatalogen Anlage 14 und 15 StrlSchV festgelegt. Weiter wird zwischen realen und beinahe Vorkommnissen (abgewendet, jedoch nicht vom internen Qualitätssicherungssystem entdeckt) unterschieden. Die Meldung und Aufarbeitung des Vorkommnisses ist unabhängig davon, ob ein reales oder beinahe Vorkommnis vorliegt, durchzuführen. Gemäß § 109 Abs. 1 StrlSchV sind Ursachen und Auswirkungen des Vorkommnisses unverzüglich systematisch zu untersuchen, die Ergebnisse zu dokumentieren und über 30 Jahre zu archivieren.

Klassifikatio von Vorkommnissen im Strahlenschutz bei der Anwendung ionisierender Strahlung am Menschen

Beteiligte Personen

Der Strahlenschutzverantwortliche (SSV) ist gegenüber dem Gesetz für die ordnungsgemäße Umsetzung des Strahlenschutzes in seiner Organisation verantwortlich. Er benötigt keine nachgewiesenen Kenntnisse im Strahlenschutz. Aufgaben werden an Strahlenschutzbeauftragte (SSB) delegiert. Eine Ausnahme stellen kleine Praxen dar, in denen der SSV fachkundig ist und eigenverantwortlich arbeitet.

Strahlenschutzbeauftrage (SSB) bewerten die gemeldeten Vorkommnisse und steuern den internen Bearbeitungsprozess bis zur Vorlage der Meldung beim SSV. Insbesondere entwickeln sie dabei Konzepte zur zukünftigen Verhinderung vergleichbarer Vorkommnisse und sorgen für deren Umsetzung. Es ist empfehlenswert, dass SSB bei der Erkennung und Bearbeitung von Vorkommissen auf die Beratung eines Medizinphysik-Experten (MPE) zurückgreifen können. Hierdurch reduziert sich nicht die Verantwortung des SSB. Der Arbeitsaufwand des SSB lässt sich durch die Einbeziehung von weiterem Fachpersonal jedoch wesentlich verringern. SSB sind eine zwingende Voraussetzung für die Erteilung einer Genehmigung zur Anwendung ionisierender Strahlung oder radioaktiver Stoffe am Menschen sowie zur Anzeige einer Röntgeneinrichtung.

Strahlenschutzbevollmächtigte (SSBV) werden häufig in größeren Kliniken für eine fachliche Administration und Organisation des Strahlenschutzes bestellt. Sie sind das Bindeglied zwischen SSV und SSB und unterstützen beide bei der Umsetzung strahlenschutzrechtlicher Vorgaben.

Medizinphysik-Experten (MPE) wirken bei der Untersuchung von Vorkommnissen, der Überwachung der Einhaltung der DRW und der Überwachung der Exposition von Personen mit. Dem MPE kommt daher eine zentrale Rolle zu. Mit Hilfe von Datenanalysen (z.B. mittels Dosismanagementsystemen) haben sie die Möglichkeit systematische Erhöhungen von Dosiswerten oder wiederholte Überschreitungen von diagnostischen Referenzwerten zu erkennen. Darüber hinaus stellen MPE die Daten zur detaillierten Analyse der Strahlenexposition zusammen, berechnen Risiken und beraten die verantwortlichen Strahlenschutzbeauftragten bei der Klassifikation von Vorkommnissen. Aufgrund ihrer Kompetenzen wirken sie sinnvollerweise bei der Kommunikation mit der zuständigen Behörde sowie ggf. erforderlichen Meldungen von Vorkommnissen an Behörden mit.

Medizinisch-technische Radiologieassistenten (MTRA) und sonstiges medizinisches Fachpersonal (MFA) haben direkte Einblicke in die Einrichtungen, weshalb es ihnen möglich ist, Ursachen zur Erkennung und Gegenmaßnahmen vorzuschlagen. Die meisten Ereignisse, die zu einem Vorkommnis führen (z.B. Personenverwechslung, unnötige Wiederholung, Applikation des falschen Radiopharmakons), müssen durch eine hohe Aufmerksamkeit erkannt werden. Insbesondere MTRA/MFA sollten daher mit dem Kriterienkatalog vertraut gemacht werden.

Je nach Struktur und Organisation des Klinikums können z.B. bei der Einführung eines Dosismanagementsystems weitere Abteilungen (z.B. Medizintechnik, EDV/IT-Abteilung) involviert sein.

Klassifikation von Vorkommnissen

Den Kriterienkatalog für bedeutsame Vorkommnisse hat der Gesetzgeber in den Anlagen 14 und 15 der StrlSchV definiert. Anlage 14 enthält Kriterien bei medizinischen Expositionen (und bei Exposition der untersuchten Person bei einer nichtmedizinischen Anwendung) und Anlage 15 Kriterien bei geplanten Expositionssituationen.

Die in Anlage 14 definiert Kriterien für Untersuchungen mit ionisierender Strahlung und radioaktiven Stoffen und Interventionen beziehen sich entweder auf eine Gruppe von Personen oder einzelne Personen. Für Gruppen ist jede Überschreitung des Mittelwertes über die letzten 20 aufeinanderfolgenden Untersuchungen gleicher Untersuchungsart um mehr als 100 % des jeweiligen DRW, sobald der DRW einer einzelnen Untersuchung um 200 % überschritten wurde, als bedeutsam anzusehen. Durch den Bezug auf die diagnostischen Referenzwerte resultiert eine Vielzahl von möglichen Expositionshöhen, bei deren Erreichen nachzuforschen ist, ob ein bedeutsames Vorkommnis vorliegt. Existiert für eine Anwendung kein national gültiger DRW, sind bei ausreichend guter Datenlage einer Untersuchungsart und einer Röntgenmodalität interne DRW zu definieren. Um nicht den Überblick zu verlieren, ist die Unterstützung durch ein Dosismanagementsystem ratsam. Hier können den Untersuchungen Interventionsschwellen zugeordnet werden.

Die Anlagen sind sehr umfangreich und werden hier folglich nicht vollumfänglich vorgestellt. Stattdessen folgen Empfehlungen, die zur Erkennung von Vorkommnissen in der Röntgendiagnostik geeignet sind. Die einleitend erwähnte Leitlinie empfiehlt Kriterien, die absichtlich unterhalb der in den Anlagen 14 und 15 definierten Schwellenwerten. Das macht Sinn, um prospektiv dem Auftreten von bedeutsamen Vorkommnissen entgegenzuwirken. Diese Herangehensweise setzt voraus, dass wenige Vorkommnisse auftreten bzw. die Kriterien nach Anlage 14 und 15 selten erfüllt werden. Für den Fall, dass ein Dosismanagement neu eingeführt und eine Vielzahl von Röntgenmodalitäten simultan angebunden wird, sollte eine Priorisierung der Optimierung vorgenommen werden, um nicht anfänglich von Meldungen überflutet zu werden. Aus diesem Grund möchten wir den Empfehlungen der Leitlinie eine Vorstufe hinzufügen. Sobald die Frequenz der Vorstufe-Meldungen abnimmt, kann die Optimierung anhand der Empfehlungen der Leitlinien vorgenommen werden – das sollte auch das Ziel sein. Insbesondere in medizinphysikalischen Abteilungen, die einen Mangel an Medizinphysik-Experten mit der Fachkunde Röntgendiagnostik haben, eignet sich diese Herangehensweise.

Die nachfolgenden untersuchungsspezifischen Tabellen enthalten drei Spalten

  1. Kriterium
  2. Vorstufe
  3. Empfehlung der Leitlinie

Bei den modalitätenunabhängigen Empfehlungen wird keine Vorstufe definiert.

Die folgenden Abkürzungen werden verwendet:

Der Begriff DRW bezieht sich in den Tabellen zunächst auf die nationalen, vom Bundesamt für Strahlenschutz veröffentlichen DRW. Sollte kein gültiger Wert vom BfS definiert sein, meint DRW die lokal/intern definierten DRW.

Modalitätenunabhängig

Bei den modalitätenunabhängigen Kriterien werden die Empfehlungen der Leitlinie gänzlich übernommen. Eine Vorstufe macht bei diesen Kriterien keinen Sinn.

Kriterium Empfehlung der Leitlinie (Vorstufe entfällt)
Wiederholung der Untersuchung
Untersuchung musste erneut durchgeführt werden (z.B. unkooperativer Patient)
Patientenverwechslung
Eine bestimmte Untersuchung wurde am falschen Patienten durchgeführt
Falsche Untersuchung bzw. Durchführung
Es wurde entweder die falsche Untersuchung durchgeführt (z.B. falsches Protokoll) oder die Untersuchung wurde fehlerhaft durchgeführt (z.B. falsche Kontrastmittelphase)
Gerätefehler / -ausfall
Aufgrund eines Gerätedefekts kam es zu keinem verwertbaren Untersuchungsergebnis
Deterministischer (Haut)schaden
Es kam zu einem deterministischen Schaden, z.B. der Haut.
Unbeabsichtigte pränatale Exposition
Ungewollte Exposition des Uterus im Direktstrahl bei einer Schwangeren.
Dosis > 1 mSv für Betreuungs- oder Begleitpersonen
Eine Betreuungs- oder Begleitperson hat eine Dosis von mehr als 1 mSv im Rahmen der Strahlenanwendung erhalten.
Überschreitung Personaldosisgrenzwert
Ein beruflich strahlenexponierter Mitarbeiter erhielt im Jahr mehr als 20 mSv effektive Dosis bzw. Organ-Äquivalentdosen oberhalb der in § 78 StrlSchG konkretisierten Grenzwerte.
Sonstiges Vorkommnis

Computertomographie

Kriterium Vorstufe Empfehlung der Leitlinie
Erhöhte Dosis (Einzelperson)
CTDI > 3-facher DRW
CTDI > 2-facher DRW
DLP > 3-facher DRW
DLP > 2-facher DRW
Hirn: CTDI > 120 mGy
Hirn: CTDI > 100 mGy
Körper: CTDI > 80 mGy
Körper: CTDI > 50 mGy
Erhöhte Dosis (Gruppe)
Mittelwert (CTDI oder DLP) > 2-facher DRW

Interventionen

Kriterium Vorstufe Empfehlung der Leitlinie
Erhöhte Dosis (Einzelperson)
DAP > 3-facher DRW
DAP > 2-facher DRW
DFP > 3-facher DRW
DFP > 2-facher DRW
DAP > 200 Gycm² (Diagnostik)
DFP > 150 Gycm²
DFP > 500 Gycm² (Untersuchung)
DFP > 450 Gycm²
Erhöhte Dosis (Gruppe)
Mittelwert (DFP) > 2-facher DRW

Weitere Empfehlungen

Zur Untersuchung von deterministischen Hautschäden (2. Grades oder höher) wird eine Bestellung des Patienten bei einem DFP > 500 Gycm² nach 21 Tagen empfohlen. Für solche Fälle eignet sich auch die Berechnung der Peak-Skin-Dose und das Überwachen der Luftkermas (AK), das zur Abschätzung der Hautdosis geeignet ist. Unabhängig von der Überwachung der Dosisparameter zur Identifikation bedeutsamer Vorkommnisse, ist ein Tracking der Luftkermas (z.B. AK > 2000 mGy) im Hinblick auf die kurzfristige Nachsorge sinnvoll.

Darüber hinaus ist es empfehlenswert den Verlauf der Patientenexposition, z.B. über die effektive Dosis, mithilfe eines Dosismanagementsystems zu verfolgen. Meldeschwellen können in 50 mSv-Schritten (50 mSv, 100 mSv und 150mSv usw.) definiert werden. Zwar sind solche Überschreitungen aus strahlenschutzrechtlicher Sicht nicht relevant, können für den Anwender jedoch ein nützliches Instrument sein, um auf eine hohe Verlaufsdosis hingewiesen zu werden.

Zur fortlaufenden Optimierung sollte mindestens halbjährlich eine ausführliche detailreiche Analyse der Modalitäten und Untersuchungen erfolgen. Die Auswertungen offenbaren statistisch brauchbare Aussagen hinsichtlich prozentualer Überschreitungen von DRW und Vorkommnissen. Anhand dieser Auswertungen können Optimierungsmaßnahmen definiert und in der Folgeauswertung kontrolliert werden. Ebenfalls können für Untersuchungen ohne nationalem DRW mithilfe der 75. Perzentile lokale DRW definiert werden. Bei allen Anwendungen sollte eine Überschreitung der mittleren Expositionsparameter (DFP, DLP und CTDI) der nationalen und lokalen DRW vermieden werden. Sollte ein DRW wiederholt überschritten werden, weist dies in der Regel auf falsche Einstellungen in den Protokollen, alte Gerätetechniken oder Anwendungsfehler hin. Diese sollten nicht durch Begründungen abgetan, sondern gemeinsam von dem Strahlenschutzbeauftragen, dem betreuenden Medizinphysik-Expertenmit und ggf. dem Hersteller beseitigt werden.

Erfassung und Verarbeitung von Vorkommnissen

Die nachfolgenden Ausführungen sind auf die Strukturen eines großen Krankenhauses ausgelegt und sind dementsprechend nicht unbedingt auf kleinere Krankenhäuser oder Praxen übertragbar. Beispiele für diese Einrichtungen sind in der Leitlinie zu finden. Unabhängig von der Größe des Krankenhauses, kann die Prozessbeschreibung und die Zuständigkeiten je nach Organisation des Strahlenschutzes abweichen.

Die Erkennung von Vorkommnissen basiert auf zwei Säulen. Dem aufmerksamen Beobachten von geschulten und sensibilisiertem Personal, insbesondere der MTRA und MFA und der Meldungen durch ein Dosismanagementsystem, das ergänzend zur Überwachung der dosimetrischen Parameter zur Verfügung steht.

  1. Erkennung (MTRA/MFA, Arzt, MPE, SSB):
    1. Basierend auf dem festgelegten Kriterienkatalog für ein Vorkommnis (s. Klassifikation) erkennt der vor Ort tätige MTRA/MFA oder der Arzt ein Vorkommnis. Eine Liste des Katalogs mit relevanten Kriterien kann z.B. am Arbeitsplatz ausgehangen werden. Mitarbeiter sollten durch regelmäßige Schulungen mit dem Inhalt des Katalogs vertraut gemacht werden.
    2. Das Dosismanagement meldet eine Überschreitung auf Basis der hinterlegten untersuchungs- und gerätespezifischen Meldeschwellen.
      Wichtig: Das Dosismanagementsystem ist insbesondere nicht dafür gedacht jede einfache Überschreitung von diagnostischen Referenzwerten zu identifizieren, da diese (wie oben erläutert) statistisch gesehen bei ca. 25 % der Untersuchungen und Behandlungen auftreten. Das Dosismanagement filtert stattdessen nach den Kriterien die den Tabellen des Kapitels Klassifikation aufgeführt sind, um Vorkommnisse bzw. ggf. bedeutsame Vorkommnisse zu identifizieren.
      Wichtig: Eine Begründung für einzelne DRW-Überschreitungen ist zwar gemäß BMU-Erlass vom 22.01.2020 nicht notwendig, allerdings muss eine Überschreitung jederzeit auf Nachfrage (z.B. durch die Ärztliche Stelle) nachvollziehbar begründet werden können.
  1. Erfassung und Beschreibung (MTRA/MFA, Arzt, MPE, SSB):
    Datum, Uhrzeit, Gerät, Untersuchung, ggf. Expositionsparameter des Vorkommnisses, Patientenname, Namen der involvierten Ärzte / MTRA / MFA, Ursache und Beschreibung des Vorgangs sowie bedeutsame Hintergrundinformationen werden dokumentiert.
  1. Klassifikation des Vorkommnisses (SSB, MPE, Ltd. MTRA/MFA):
    Der zuständige SSB erhält die Dokumentation des Vorkommnisses und entscheidet, wie zu verfahren ist. Hierzu ist unter Verwendung des Kriterienkatalogs nach A14 und A15 StrlSchV zunächst festzustellen, ob das Vorkommnis meldepflichtig ist oder nicht. Insbesondere bei komplexen Szenarien oder für den Fall, dass nach Einschätzung des SSB ein meldepflichtiges Ereignis vorliegt, sollte mit dem MPE Rücksprache gehalten werden. Gleichermaßen ist die Einbeziehung des MPE angeraten, wenn nach dem dreifachen Überschreiten eines DRW der Anfangsverdacht für das Auftreten eines bedeutsamen Vorkommnisses besteht.
    Falls es sich um ein Vorkommnis handelt, bei dem das Auftreten von deterministischen Schäden (Kriterium: DAP > 500 Gycm²) entscheidend für eine Meldung an die Behörde ist, so veranlasst der SSB die entsprechende Nachuntersuchung des Patienten.
    Stellt sich heraus, dass der erfasste Vorgang beabsichtigt war, liegt kein Vorkommnis vor. Der Prozess kann hier beendet werden. Nichtsdestotrotz ist auch bei einem beabsichtigten Vorgehen, das zu einer relevant hohen Strahlenexposition geführt hat, nicht ausgeschlossen, dass es im Hinblick auf eine mögliche Optimierung genauer gesichtet werden sollte. Hierbei wäre ebenfalls der betreuende MPE einzubinden.
  1. Erstellung des Meldeformulars (SSB, MPE)
    In der erstellten Meldung müssen die rechtlich vorgeschriebenen Angaben enthalten sein. Die Meldung hat unverzüglich zu erfolgen. Da die Gesetzgebung noch recht aktuell ist, kann es sinnvoll sein, die Behörde bereits telefonisch über den Eingang der Meldung zu informieren.
    Die in Punkt 2 erfassten Informationen und rechtlichen Vorgang können noch weiter ergänzt werden:
    • Ereignistyp nach Anlage 14 und 15 StrlSchV
    • Ergänzung der Beschreibung des Hergangs mit relevanten Informationen
    • Relevante technische Dosiswerte
    • Auswirkungen, sofern bereits ersichtlich
  1. Freigabe und Versand der Meldung (SSV, SSBV)
    Sofern der SSBV bislang nicht in die Erstellung der Meldung involviert war, wird er darüber in Kenntnis gesetzt und wird vom meldenden SSB über die Hintergründe aufgeklärt. Sollte er die Einschätzung zum Vorkommnis teilen, signiert er das Schreiben und meldet es, ggf. nach finaler Rücksprache mit dem SSV, an die Behörde weiter. Teilt er die Meinung des SSB nicht, so ist eine Einigung zu erzielen. Ist dies nicht möglich, ist der SSV zu informieren.
  1. Ausführliche Ursachenanalyse (SSB, MPE, Ltd. MTRA/MFA)
    Das Vorkommnis insbesondere die genaue Ursache wird systematisch untersucht und aufgeklärt. Es empfiehlt sich, den betreuenden MPE und den leitenden MTRA/MFA eng in diesen Prozessschritt einzubeziehen, da diese spezifische Kompetenzen besitzen, die den SSB darin unterstützen ein korrektes und vollständiges Gesamtbild des Vorgangs zu erhalten. Leitfragen können z.B. sein:
    1. Was war der Auslöser für das Vorkommnis?
    2. Handelte es sich um einen bekannten Typ von Vorkommnis?
    3. Gibt es eine Arbeitsanweisung, um dieses Vorkommnis zu verhindern?
    4. Wurde die verantwortliche Person in der Vermeidung dieses Typs von Vorkommnis bereits geschult?
    5. Sind weitergehende Aktionen erforderlich?
    6. Handelt es sich um ein gerätebezogenes Vorkommnis, das ggf. übergeordnet als bedeutsam anzusehen ist (Meldung an das BfArM)?
  1. Festlegung von Gegenmaßnahmen (SSB, MPE, Ltd. MTRA/MFA)
    Basierend auf den gesammelten Informationen zum Vorkommnis legt der SSB geeignete und verhältnismäßige Gegenmaßnahmen fest. Analog zu Schritt 6 ist eine enge Einbindung des betreuenden MPEs und des leitenden MTRA/MF sinnvoll.
  1. Vorstellung des Falles (SSB)
    Im Sinne eines konstruktiven und offenen Umgangs mit Fehlern wird der analysierte Fall im Rahmen einer Zusammenkunft der relevanten Mitarbeiter wie einer Abteilung- oder Klinikbesprechung oder einer Qualitätsmanagementsitzung vorgestellt und diskutiert. Hierbei werden auch die Maßnahmen vorgestellt, die vom SSB als sinnvoll angesehen werden, um entsprechende Vorkommnisse in der Zukunft möglichst zu vermeiden.
    Sollte das Vorkommnis über die Abteilung hinaus mitteilungswürdig erscheinen, werden die SSB der anderen Kliniken oder Abteilungen über das Vorkommnis, seine Aufarbeitung sowie angeordnete Maßnahmen. Die SSB der entsprechenden Einrichtung sichten und bewerten das Vorkommnis und stellen es ggf. ebenfalls in einer internen Teambesprechung vor, um proaktiv darauf hinzuwirken gleichartige Vorkommnisse zu vermeiden.
  1. Erstellung / Anpassung von Arbeitsanweisungen (SSB, QM)
    Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen über das Vorkommnis wird je nach festgelegten Gegenmaßnahmen zur zukünftigen Vermeidung gleichartiger Vorkommnisse eine entsprechende Arbeitsanweisung verabschiedet oder aktualisiert.
  1. Evaluierung der Effektivität der Gegenmaßnahmen (SSB, MPE)
    Nach hinreichendem zeitlichen Abstand prüft der betroffene SSB, ob die eingeleiteten Anpassungen effektiv sind. Insbesondere, wenn ein Vorkommnis wiederholt auftritt, ist die getroffene Gegenmaßnahme nicht ausreichend.

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