Praktische Absolutdosimetrie

Inhaltsverzeichnis

Bei der praktischen Absolutdosimetrie mit Ionisationskammern wird zwischen zwei Verfahren differenziert.

    • Frei-Luft-Verfahren: Messung der Ionendosis, Luftkerma o. Ä. in Luft. Anschließend erfolgt eine Umrechnung mithilfe von material-, kammer- und strahlungsqualitätsspezifischen Faktoren in eine Wasserenergiedosis.
    • Sondenmethode: Messung der Energiedosis mithilfe einer Messkammer (Sonde) in Wasser. Der angezeigte Wert muss mithilfe von Korrektionsfaktoren in eine Dosis umgerechnet werden, die gemessen werden würde, wenn die Sonde (Wand, Innendicke, Luftfüllung usw.) nicht im Wasser wäre.

Im Idealfall herrscht in der Kammer Sekundärelektronengleichgewicht, sodass die Dosis ausschließlich durch die Photonen bestimmt wird. In diesem Fall ist die Energiebilanz zwischen Elektronen, die in die Kammer eintreten und denen, die die Kammer verlassen, ausgeglichen. Darüber hinaus sollte idealerweise die Abmessung der Kammer(wand) so klein sein, sodass keine Abschwächung des Photonenfeldes auftritt. Ist dies näherungsweise der Fall, liegen Bragg-Gray-Bedingungen vor. Da diese Bedingungen in der Praxis nur bedingt zutreffen, sind Korrekturen notwendig.

praktische absolutdosimetrie nach din 6800 2 (6)
Möglicher Aufbau einer praktischen Absolutdosimetrie: Der Linearbeschleuniger strahlt seitlich in das Eintrittsfenster des Wasserphantoms, während in einer definierten Tiefe die Dosis gemessen wird. (Die Messung der Wassertemperatur sollte kammernah erfolgen, nicht wie dargestellt).

Update: Neue DIN 6800-2 (2020)

Im August 2020 wurde die alte DIN-6800-2:2008-3 sowie die zugehörige Ergänzung durch die neue DIN 6800-2:2020-08 ersetzt. An dieser Stelle möchten wir auf einige relevante Punkte der neuen DIN eingehen. Die hier genannten Änderungen sind nicht allumfassend und ersetzen keinesfalls das Lesen der vollständigen DIN-Norm.

Bevor ausgewählte Anpassungen detailliert vorgestellt werden, vorweg eine kompakte Aufzählung der wichtigsten Änderungen:

  • Feldgrößenbeschränkungen: Photonen >4×4 cm²; Elektronen >6x6cm²
  • Änderung der Referenzfeldgröße bei Elektronen: R_{50}<7\text{cm}, 10\text{x}10 \text{cm}^2\text{;}\:\: R_{50}>7\text{cm}, 20\text{x}20 \text{cm}^2
  • Begrenzte Energien: Photonen >1 MV, <25 MV; Elektronen >3 MeV, <25 MeV
  • Flattening Filter Free Dosimetrie ergänzt
  • Frontwandskalierung durch physikalische Dicke ersetzt
  • Positionierungsvorschrift nun auch für Flachkammern
  • Korrektionsfaktor k_r bei Flachkammern weicht nun von 1,0 ab und muss berechnet werden
  • Korrektionsfaktoren für die Strahlenqualität für Photonen- und Elektronenstrahlung haben sich geändert (s.u.)
  • Die Berechnung für R_{50} hat sich geändert (s.u.)

Berechnung der Wasserenergiedosis

Nachfolgend wird das Prinzip der Absolutdosimetrie unter Anwendung der Sondenmethode dargestellt. Die Korrektionsfaktoren werden vorgestellt und erläutert. Diese Seite dient als Leitfaden für die Messung der absoluten Wasserenergiedosis unter Verwendung von offenen luftgefüllten Ionisationskammern am Linearbeschleuniger. Sie ist sowohl für hochenergetische Photonen als auch für Elektronen anwendbar. Das Prinzip beruht auf der Proportionalität der erzeugten Ionenpaare, die im elektrischen Feld der Kammer gesammelt werden, und der applizierten Wasserenergiedosis. Die Wasserenergiedosis D berechnet sich nach der folgenden Gleichung:

D = (M-M_0) \cdot N_W \cdot \prod k_i

  • D = Wasserenergiedosis
  • M = Anzeige des Dosimeters
  • M_0 = Nullanzeige des Dosimeters
  • N_W = Kalibrierfaktor für die Wasserenergiedosis in Gy/C
  • k_{pT} = Korrektionsfaktor der Luftdichte
  • k_h = Korrektionsfaktor der Luftfeuchte
  • k_S = Korrektionsfaktor der Sättigung
  • k_p = Korrektionsfaktor der Polarität
  • k_r = Korrektionsfaktor für die Messortverschiebung
  • k_T = Korrektionsfaktor der Temperatur (ohne Luftdichteeffekte)
  • k_Q = Korrektionsfaktor Strahlungsqualität der Photonenstrahlung in der Referenztiefe
  • k_E = Korrektionsfaktor Strahlungsqualität der Elektronenstrahlung in der Referenztiefe
  • k_{NR} = Korrektionsfaktor für spektrale Verteilung und Richtungsverteilung (Nicht-Referenzbedingungen)

Bezugsbedingungen

Parameter Referenz
Strahlungsqualität
Co-60 Strahlung
Strahlungseinfallrichtung
Festgelegte Vorzugsrichtung
Keine Sättigungsverluste
Phantommaterial
Wasser
Phantomabmessungen
So, dass sie keinen Einfluss auf den Messwert haben
Messtiefe
5 cm
Temperatur
293,15 K bzw. 20 °C
Druck
1013,25 hPa
Luftfeuchte
Relative Luftfeuchte 50 %
Kammerspannung / Polarität
Bei der Kalibrierung festgelegt
Nullanzeige
Vernachlässigbar
Schutzhülse
Bei der Kalibrierung festgelegt
Abstand-Quelle-Messort
100 cm
Feldgröße in 5 cm Tiefe
10 x 10 cm²
TDK-Steigung in 5 cm Tiefe
-0,006 pro mm

Referenzbedingungen

Da die vorliegenden Bedingungen oft von den Bezugsbedingungen abweichen, sind Korrektionsfaktoren zu verwenden. Für Photonen und Elektronen wurden explizit geometrische Referenzbedingungen definiert. Hinzu kommt eine abweichende Strahlungsqualität, die in den Faktoren k_E und k_Q berücksichtigt wird.

  • Photonen: Messtiefe 10cm, Feldgröße an der Oberfläche: 10×10 \text{ cm}^2, \text{FOA}=100\:\text{cm}; ( 1 \text{ MV} < E_\text{Photonen} < 25 \text{ MV})
  • Elektronen: Messtiefe R_{50}<7\text{cm}: 10\text{x}10 \text{cm}^2\text{;}\:\: R_{50}>7\text{cm}: 20\text{x}20 \text{cm}^2 ; ( 3 \text{ MV} < E_\text{Elektronen} < 25 \text{ MV})
Beispielhafte Darstellung einer Photonen-Absolutdosimetrie mit Semiflex-Kompaktkammer
Beispielhafte Darstellung einer Photonen-Absolutdosimetrie mit Semiflex-Kompaktkammer
Beispielhafte Darstellung einer Elektronen-Absolutdosimetrie mit Roos-Flachkammer
Beispielhafte Darstellung einer Elektronen-Absolutdosimetrie mit Roos-Flachkammer

Kammerpositionierung

Der effektive Messort einer Kammer variiert je nach Kammer, Strahlenqualität und Kammergröße. Er entspricht dem Ort, an dem in einem ungestörten Wasserphantom die Wasserenergiedosis ermittelt werden würde. Die Positionierung der Kammern erfolgt anhand der sogenannten Bezugsorte, die sich je nach Kammer unterscheiden.

  • Bezugspunkt von Kompaktkammern: In der Symmetrieachse der Kammer
  • Bezugspunkt von Flachkammern: In der Mitte der Grenzfläche zwischen Eintrittsfenster und Luftvolumen

Da die Kammer das Strahlungsfeld beeinflusst, kann der effektive Messort in der Messtiefe z_\text{B} von der Tiefe des Bezugspunktes z_\text{B} um eine Bezugspunktverschiebung \Delta z abweichen.

z_\text{B} = z_\text{M} + \Delta z

Bei Kompaktkammern liegt der Bezugspunkt in größerer Tiefe ( \Delta z > 0 , bei Flachkammern in geringerer Tiefe \Delta z < 0 . Für die Korrektur wird der Korrektionsfaktor der Messortverschiebung

k_r = 1\: / \: (1 + \delta_\text{Co} \cdot \Delta z_\text{Co})

verwendet, wobei \Delta z_\text{Co} der Verschiebung des effektiven Messorts und \delta_\text{Co} dem relativen Tiefendosisgradienten entsprechen. Werte für diese Formel können den Tabellen 1, 4 und 5 der neuen DIN entnommen werden. Abweichend von der alten DIN (2008) werden nun auch Bezugspunktverschiebungen für Flachkammern angegeben, wodurch sich die Positionierungsvorschriften ändern. Beispielhaft werden hier die Werte für fünf übliche Kammern nach neuer DIN angegeben/berechnet:

Kammertyp k_\text{r} Bezugspunktverschiebung \Delta z
PTW 31003 Semiflex
1,0083
0,5 \cdot r
PTW 31006 PinPoint
1,0030
0,5 \cdot r
PTW 23332 Rigid Stem
1,0076
0,5 \cdot r
PTW 34001 Roos
0,9976
-0,4 mm
PTW 34045 Adv. Markus
1,0000
0,0 mm

In der Regel werden Wasserphantome für Absolutdosimetrie von der Seite (Gantrywinkel 90° / 270°) durch ein Strahleneintrittsfenster bestrahlt, sodass dasselbe Prozedere auch für die Schichtdicke der Phantomwand wiederholt werden muss. Es gilt also auch hier:

d_w = \frac{\rho_\text{e,pw}}{\rho_\text{e,w}} \cdot d_\text{pw}

wobei \text{pw} der Index für die Phantomwand darstellt.

In Tabelle 3 der DIN 6800-2 sind die Elektronendichten üblicher Materialien dargestellt. Hier ein kleiner Auszug:

Material Dichte g/cm³ Elektronendichte 10^(23)/cm³ Elektronendichteverhältnis
Wasser
0,998
3,336
1,000
Polystyrol
1,060
3,432
1,029
RW3
1,045
3,376
1,012
PMMA
1,190
3,833
1,149

Hinweis:  Während der Korrekturfaktor k_\text{r} immer anzuwenden ist, kann es sein, dass kommerzielle Wasserphantome die Bezugspunktverschiebungen diese Umrechnung an der am Phantom verbauten Messskalen oder den Kammerhalterungen berücksichtigen, sodass eine manuelle Verschiebung zur Korrektur der Wasseräquivalenz entfällt. Eine Rücksprache mit dem Hersteller ist an dieser Stelle empfehlenswert.

Korrektionsfaktoren

Korrektur der Luftdichte

Der Korrektionsfaktor k_\text{pT} korrigiert die klimatischen Bedingungen hinsichtlich Druck und Temperatur. Eine erhöhte Luftdichte bzw. ein erhöhter Druck und niedrigere Temperaturen sorgen für eine höhere Atomdichte in der Luft und somit für mehr Ionisationen. Die Korrektur erfolgt anhand von Messungen mittels eines Thermometers und eines Präzisionsbarometers.

k_\text{pT} = p_0 / p \cdot T/T_0

Die Bezugswerte können der obigen Tabelle entnommen werden. Damit möglichst genaue Werte erfasst werden, sollte die Temperatur im Wasser stets kammernah und nach ausreichender Akklimatisierung gemessen werden. Die Lufttemperatur sollte nicht mehr als 1°C von der Wassertemperatur abweichen.

Korrektur der Luftfeuchte

Je feuchter die Luft, desto weniger Energie wird für die Erzeugung eines Ionenpaars benötigt. Die Ionisationskonstante für trockene Luft 33,97 eV sinkt folglich. In Bezug auf den Messwert bedeutet das eine höhere Dosis bei steigender Luftfeuchte. Allerdings hat Wasserdampf eine geringere Dichte, sodass die Wechselwirkungsrate sinkt. Diese gegenläufigen Effekte sorgen dafür, dass eine Korrektur der Luftfeuchte abseits extrem feuchter Räume zu vernachlässigen ist. Der Korrektionsfaktor berechnet sich aus dem Verhältnis der erzeugten Ionisationen.

k_\text{h} = Q_\text{Air} / Q_\text{h} \text{,       h = humidity (engl. Feuchtigkeit)}

Die DIN 6800-2 hält eine Korrektur innerhalb einer Luftfeuchte von 30-75% für nicht erforderlich.

Korrektur der unvollständigen Sättigung

Bei hohen Dosisleistungen und niedrigen Kammerspannungen können Rekombinationen im Kammervolumen auftreten. Die Ladungen, die nicht direkt eingesammelt werden, bilden zudem ein dem angelegten elektrischen Feld entgegen gerichtetes elektrisches Feld, das den Effekt zusätzlich verstärkt. Je größer das Kammervolumen, desto wahrscheinlicher das Auftreten der Rekombinationen. Zur Bestimmung des Korrektionsfaktors existieren verschiedene Verfahren, nach DIN 6800-2 berechnet sich dieser gemäß

k_\text{S} = 1 + \frac{\gamma+\delta \cdot D^P}{U}

mit D^P als Energiedosis pro Puls in mGy und U ist die Kammerspannung in V. Die Koeffizienten \gamma (Anfangsrekombinationen und Diffusion) und \delta (Volumenrekombination) sind kammerabhängig. Die Variablen können z.B. in Bruggmoser, G. et al – Determination of the Recombination Correction Factor kS for Plane-Parallel and Cylindrical Ionization Chambers in Pulsed Beams. In: Phys. Med. Biol. 52 (2007) nachgelesen werden. Die Werte sind auch in der DIN 6800-2 zu finden.

Je größer das Kammervolumen, desto wahrscheinlicher das Auftreten der Rekombinationen, weshalb bei Kompaktkammern mit geringem Kammerradius der im Kammerzertifikat angegebene Wert für die Sättigungskorrektur häufig k_S=1,0 beträgt. Bei Flachkammern mit großen Kammerdurchmessern kann die Abhängig hingegen eine entscheidende Rolle spielen. Roos-Kammern wurden z.B. früher mit einer Kammerspannung von 100 V betrieben, weshalb in alten Elektrometer-Bibliotheken nur Spannungen von 50-100V anwählbar sind. Werden neue Roos-Kammern, die bei 200V kalibriert wurden, mit 100V betrieben, lassen sich Messabweichungen von bis zu 1,0 % beobachten. Betreiber mit alten Elektrometer sollten folglich darauf achten, dass ihre Roos-Kammern im Labor auf 100 V statt standardmäßig auf 200 V kalibriert werden.

Korrektur der Polarität

Der Strom aus dem Umgebungsmaterial kann sich je nach Polarität der Kammerspannung unterscheiden. Elektrostatische Aufladungen und die Dicke der Messelektrode spielen eine Rolle. Der Faktor kann mithilfe von zwei Messungen mit unterschiedlicher Polarität berechnet werden.

k_\text{p} = (\frac{M_1+M_2}{M_1})_\text{Q,E} / (\frac{M_1+M_2}{M_1})_\text{Co-60}

Der Faktor ist außerdem kammer- und strahlungsqualitäts-abhängig und kann sogar für gleiche Kammertypen variieren. Die Formel vereinfacht sich, wenn die Messwerte M_1 und M_2 unter Referenzbedingungen identisch sind, zu

k_\text{p} = (\frac{M_1+M_2}{2 M_1})_\text{Q,E}     .

Bei den meisten kommerziellen Dosimetern ist eine Spannungsumpolung allerdings gar nicht möglich, sodass eine Berechnung nicht möglich ist. Nach DIN 60731:2014-10 – Medizinische elektrische Geräte – Dosimeter mit Ionisationskammern zur Anwendung in der Strahlentherapie – müssen Hersteller Abweichungen von unter 1,0% gewährleisten. Kalibrierscheinen gängiger Ionisationskammern kann entnommen werden, dass von Herstellerseite angegebene Abweichungen üblicherweise bei <0,5% oder <0,2% liegen.

Korrektur der Messortverschiebung

Dieser Korrekturfaktor berücksichtigt zum einen die Störung des Strahlenfeldes durch das Einbringen eines Materials anderer Dichte und zum anderen die Verdrängung des Wassers, sodass es aufgrund abweichender Materialdichte zur Verschiebung des effektiven Messortes kommt. In luft- oder gasgefüllten Messkammern entstehen weniger Sekundärelektronen als in der umgebenden Kammerwand und dem Wasser. In der Regel sind beide Faktoren bereits im Kalibrierfaktor berücksichtigt. Sofern abweichende Strahlenqualitäten verwendet werden müssen die Werte anhand der Tiefendosiskurve um die Messortverschiebung korrigiert werden. Auf die Korrektur wurde anfangs bereits im Kapitel zur Kammerpositionierung eingegangen.

Korrektur der Strahlenqualität

Photonenstrahlung

Bei von Cobalt-60 abweichender Strahlungsqualität ändert sich das Ansprechvermögen der Ionisationskammer. Der Korrektionsfaktor k_Q(Q) definiert diesen Faktor in Abhängigkeit des Strahlungsqualitätsindex . Zur Bestimmung des Strahlungsqualitätsindex  existieren zwei Vorgehen, für welche jeweils Messwerte in 10 cm und 20 cm Tiefe bestimmt werden:

Verhältnis der absoluten Dosiswerte M_ {20} und M_{10} bei konstantem Fokus-Detektor-Abstand von 100 cm und einer Feldgröße von 10 x 10 cm² am Messort

Q = M_{20} / M_{10}

Verhältnis der relativen Tiefendosiskurvenwerte bei TD_{20} und TD_{10} bei konstantem Fokus-Wasseroberfläche-Abstand von 100 cm und einer Feldgröße von 10 x 10 cm² an der Oberfläche

Q = 1,2661 \cdot (TD_{20} / TD_{10}) \: – \: 0,0595

Der Korrektionsfaktor der Strahlenqualität bei Photonenstrahlung konnte bislang für übliche Strahlungsqualitäten Q der Tabelle 6 der alten DIN (DIN-6800-2:2008-3) entnommen werden, oder durch Interpolation der Tabellenwerte bestimmt werden. In der neuen DIN DIN-6800-2:2020-8) wird der Faktor gemäß

  k_{Q,\text{R}} = (1+\exp{(A\cdot(0,57\:\:–\:\:Q_0))}\: / \: (1+\exp{(A\cdot(Q\:\:–\:\:Q_0))}

berechnet. Diese Formel kann neuerdings auch für ausgleichsfilterfreie (FFF = Flattening Filter Free) Linearbeschleuniger verwendet werden. Die Werte A und Q_0 können Tabelle 8 der neuen DIN entnommen werden. Beispielhaft werden für drei übliche Kammern die Korrektionsfaktoren nach neuer und alter DIN, also k_Q bzw. k_{Q,\text{R}} und deren Abweichungen voneinander in Abhängigkeit von der Strahlungsqualität berechnet:

DIN6800-2 Neuerungen - Strahlungsqualität Photonen
Der Korrektionsfaktor in Abhängigkeit vom Strahlungsqualitätsindex nach alter und neuer DIN 6800-2.
Der Korrektionsfaktor in Abhängigkeit vom Strahlungsqualitätsindex nach alter und neuer DIN 6800-2
Abweichungen der alten von den neuen Korrektionsfaktoren in Abhängigkeit vom Strahlungsqualitätsindex nach DIN 6800-2.

Die Abweichungen liegen in der Größenordnung von unter 0,5%, sind also verhältnismäßig klein. Insbesondere bei der Semiflex-Kammer, die häufig für die praktische Absolutdosimetrie verwendet wird, liegen die Abweichungen im Bereich üblicher Strahlungsqualitäten unter 0,2%. Messkammer-Kalibrierungen am Linearbeschleuniger müssten unter diesen Bedingungen leicht nach unten korrigiert werden.

Elektronenstrahlung

Die Referenztiefe liegt gemäß DIN 6800-2 bei

z_\text{Ref} = 0,6 R_{50} – 0,1 \text{cm}

wobei für klinische Anwendungen nach DIN 6809-6 z_\text{Ref} = d_\text{max} gilt.

Aus der Halbwerttiefe lässt sich die mittlere Elektronenenergie an der Phantomoberfläche E_0 nach

E_0 = 2,33 \text{MeV} \cdot R_{50}\cdot \text{cm}^{-1}

berechnen.

Berechnung der Referenztiefe für die praktische Absolutdosimetrie bei Elektronenstrahlung.
Berechnung der Referenztiefe für die praktische Absolutdosimetrie bei Elektronenstrahlung.

Die praktische Reichweite R_p ist der Schnittpunkt der x-Achse (Relative Dosis) mit der Tangente, die in der Halbwerttiefe  R_{50} an die Tiefendosiskurve angelegt wird. Sie dient als Abschätzung für die Reichweite der jeweiligen Elektronen.

Die praktische Reichweite lässt sich gemäß

R_p = 1,271 \cdot R_{50}\:–\:0,23 \text{ cm}

rechnerisch bestimmen.

Bestimmung der praktischen Reichweite von Elektronenstrahlung.
Bestimmung der praktischen Reichweite von Elektronenstrahlung.

Durch die Veröffentlichung der neuen DIN haben sich insbesondere die berechneten Korrektionsfaktoren der Strahlungsqualität bei Elektronen geändert. Die Berechnung der Halbwertstiefe R_{50} ändert sich von dem alten linearen Zusammenhang (gemäß TRS 98 bzw. Ding et al. – Calculation of stopping-power ratios using realistiv clinical electron beams (1995)) zu der folgenden quadratischen Formel

R_{50} = 0,001\:71 \text{cm}^{-1} \cdot R_\text{50, Ion}^2 + 1,00\:805 \cdot R_\text{50, Ion} – 0,006\:89 \text{cm}

Der Ausdruck k_E = k^\prime _E \cdot k^{\prime\prime}_E wird durch

k_{E, \text{M}} = k_{E, \text{R}} \cdot k_{\text{NR}, E} ,

ersetzt, wobei k_{E, \text{R}} die Änderung der Strahlungsqualität berücksichtigt und k_{\text{NR}, E} die Änderung des Ansprechvermögens bei Messung unter Nicht-Referenzbedingungen.

Für Flachkammern gilt \hspace{1.4cm} k_{E, \text{R}} = A + B  \cdot \text{e}^{-R_{50}/C}\:\:\:\:(1,8 \text{cm} \leq R_{50} \leq 8,8 \text{cm})

Für Kompaktkammern gilt \hspace{1cm} k_{E, \text{R}} = A + B \cdot R_{50}^C\:\:\:\:(2,0 \text{cm} \leq R_{50} \leq 8,5 \text{cm})

Die Parameter können Tabelle 10 der entsprechenden DIN entnommen werden.

Beispielhaft wird an dieser Stelle die Änderung des Korrektionsfaktors für zwei Flachkammern vorgestellt:

  • PTW 34001 Rooskammer
  • PTW 34045 Advanced Markuskammer

Für den Vergleich zur alten DIN-Version wurden für R_\text{50, Ion} von 1,6 bis 8,0 Zentimeter zunächst die jeweiligen R_{50} berechnet. Hier zeigen sich bereits die ersten Abweichungen:

Abweichungen der alten von den neuen Berechnungen für R(50) in Abhängigkeit von R(50,Ion) nach DIN 6800-2.
Abweichungen der alten von den neuen Berechnungen für R(50) in Abhängigkeit von R(50,Ion) nach DIN 6800-2.

Im Bereich typischer Größenordnungen liegen die Abweichungen in einem sehr geringen Bereich und haben dementsprechend keinen großen Einfluss auf die Korrektionsfaktoren.

Im Anschluss daran wurden gemäß den vorgestellten Formeln die Korrektionsfaktoren für die Strahlungsqualität bei Elektronen sowie die daraus resultierenden Abweichungen berechnet:

Darstellung der berechneten Korrektionsfaktoren (hier kE genannt) in Abhängigkeit von R(50,Ion) für die 34001 Roos-Kammer sowie die resultierenden Abweichungen nach DIN 6800-2.
Darstellung der berechneten Korrektionsfaktoren (hier kE genannt) in Abhängigkeit von R(50,Ion) für die 34001 Roos-Kammer sowie die resultierenden Abweichungen nach DIN 6800-2.
Darstellung der berechneten Korrektionsfaktoren (hier kE genannt) in Abhängigkeit von R(50,Ion) für die 34045 Advanced Markuskammer sowie die resultierenden Abweichungen nach DIN 6800-2.
Darstellung der berechneten Korrektionsfaktoren (hier kE genannt) in Abhängigkeit von R(50,Ion) für die 34045 Advanced Markuskammer sowie die resultierenden Abweichungen nach DIN 6800-2.

Für beide Kammern zeigt sich ein ähnliches Bild. Die Korrektionsfaktoren (hier in den Grafiken k_E genannt) sind gemäß der neuen DIN deutlich größer. Auf der zweiten vertikalen Achse (in den Grafiken rechts) ist die relative Abweichung dargestellt. Hier ist zu erkennen, dass teilweise Abweichungen von über 2 % auftreten. Ebenfalls zeigt sich, dass sowohl für kleine als auch für große R_\text{50, Ion} der Korrektionsfaktor eher größer ist. Für typische R_\text{50, Ion}-Werte sind die Faktoren tendenziell also kleiner, aber nichtsdestotrotz noch relativ hoch.

Für die praktische Absolutdosimetrie führen diese Neuerungen zu bedeutsamen Änderungen. Die gemessene Dosis wird weniger stark korrigiert, sodass Linearbeschleuniger effektiv um ca. 1-2% nach unten kalibriert werden müssen. Inwieweit diese Änderungen zukünftige messtechnische Kontrollen beeinflussen bleibt abzuwarten. Sollten diesbezüglich Erfahrungsberichte vorliegen, werdet ihr an dieser Stelle darüber informiert.

Beispielprotokolle (Neue DIN)

Auf Basis der obigen Ausführungen wurden beispielhaft jeweils ein Rechenprotokoll für Photonen und Elektronen erstellt, anhand dessen die Absolutdosimetrie (auf eigene Verantwortung) durchgeführt werden kann. Je nach Setup (Phantom, Kammer usw.) und Vorgehen kann das Protokoll natürlich abweichen. In die Tabellen sind Werte für Rechenbeispiele eingetragen, die für den jeweiligen zu kalibrierenden Linearbeschleuniger angepasst werden müssen. Beim Durchführen einer Absolutdosimetrie ist höchste Vorsicht geboten. Fehler können zu schweren Folgen führen, weshalb sie immer einem 4-Augen-Prinzip unterliegen sollte. Nach jeder Absolutdosimetrie sind Routinechecks hinsichtlich Dosimetrie z.B. in Form einer Messung der Absolutdosis mithilfe eines Festkörperphantoms und einer Planverifikation empfehlenswert.

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