Pluvicto

Bei Pluvicto handelt es sich um ein zugelassenes Fertigarzneimittel der Firma Novartis Pharma Gmbh zur Durchführung der Radioligandentherapie (RLT) mit 177Lu-PSMA-617 beim progredienten Prostataspezifischen-Membranantigen-(PSMA-)positiven, metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC).

Auf der folgenden Seite erhaltet ihr eine Übersicht über die Eigenschaften sowie die Anwendung von Pluvicto.

Die Informationen in diesem Artikel dienen ausschließlich zu Informationszwecken und stellen keine medizinische Beratung dar. Der Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Genauigkeit. Die Autoren übernehmen keine Haftung für die klinische Anwendung der hier bereitgestellten Informationen. Es wird dringend empfohlen, vor der Verwendung von Radiopharmaka die aktuelle Fachinformation des Herstellers zu beachten.

Inhaltsverzeichnis

Zusammensetzung und Herstellung des Wirkstoffes

Beschreibung des Wirkstoffes

Pluvicto wird als gebrauchsfertige Injektionslösung mit einem Flüssigkeitsvolumen von ca. 7,5 bis 12,5 ml geliefert. Die Injektionslösung enthält als Wirkstoff (177Lu) Lutetiumvipivotidtetraxetan (177Lu-PSMA-617). 177Lu-PSMA-617 gehört zu den Radiologanden-Therapeutika. Über eine DOTA (1,4,7,10-Tetraazacyclododecan-1,4,7,10-tetraessigsäure)-Chelator-Verbindung wird das therapeutisch wirksame Radionuklid Lu-177 durch Komplexisierung gebunden. Mit dem anderen Ende bindet PSMA-617 an das prostataspezifische Membranantigen (PSMA), das von den Zellen eines Prostatakarzinoms exprimiert wird. Dies ermöglicht eine lokale Bestrahlung der Tumorzellen mit dem β-γ-Strahler Lu-177.

Die sonstigen Bestandteile sind: Essigsäure (99 %), Natriumacetat, Gentisinsäure, Natriumascorbat, Pentetsäure und Wasser für Injektionszwecke.

Zum Therapiezeitpunkt enthält die Injektionslösung üblicherweise eine Aktivität von 7,4 GBq Lu-177. Die Injektionslösung wird als Einzeldosis zum Einmalgebrauch geliefert. Auch wenn aufgrund von Dosisanpassungen weniger Aktivität benötigt wird, darf eine Injektionslösung nicht doppelt verwendet werden.

Darreichungsform / Lagerung / Haltbarkeit

Die Injektionslösung besteht aus einer klaren, farblosen bis schwach gelblichen Flüssigkeit und wird in einer Durchstechflasche aus Typ-I-Glas, verschlossen mit einem Brombutyl-Gummistopfen und einem Aluminiumsiegel geliefert. Die Durchstechflasche ist zur Abschirmung von einem Bleibehältnis umschlossen.

Die Lagerung erfolgt in der Originalverpackung zwischen 10°C und 30°C.

Die Anlieferung erfolgt in aller Regel zum Therapietag. Die maximale Verwendungsdauer des Arzneimittels beträgt 120 Stunden ab Zeitpunkt der Kalibrierung.

Behandlusschema und Dosierung

Das empfohlene Behandlungsschema von Pluvicto beträgt 7,4 GBq intravenös alle 6 Wochen (± 1 Woche) bis zu einer Gesamtzahl von maximal 6 Dosen, es sei denn, eine Tumorprogression oder inakzeptable Toxizität tritt auf.

Sofern der Patient nicht bereits chirurgisch kastriert wurde, sollte eine medikamentöse Kastration während der Behandlung aufrechterhalten werden.

Eigenschaften von Lu-177

Lu-177 zerfällt über β -Zerfall mit einer Halbwertszeit von 6,64 Tagen in das stabile Hf-177. Die häufigsten Endpunktsenergien sind 497 keV (79,4%), 384 keV (8,9%) und 176 keV (11,7%). Die zugehörigen mittleren Energien liegen bei 149 keV (Emax = 497 keV), 111 keV (Emax = 384 keV) und 47 keV (Emax = 176 keV).

Abgesehen vom Übergang mit der Endpunktsenergie von 497 keV liegt das entstehende Hf-177 nach dem Zerfall in einem angeregten Energiezustand vor. Demzufolge wird neben der β-Strahlung in mehr als 20% der Fälle zusätzlich γ-Strahlung infolge des resultierenden isomeren Übergangs emittiert. Die beiden häufigsten γ-Energien liegen bei 208 keV (10,4%) und 113 keV (6,2%). Die Energie und Intensität ist also ausreichend, um den γ-Anteil für die quantitative Bildgebung in Form einer Szintigraphie oder eines SPECT zu nutzen. Bei Lu-177 handelt es sich somit um ein sog. Theranostikum, das neben der therapeutisch wirksamen β-Strahlung auch für die Bildgebung verwendbare γ-Strahlung emittiert.

Zur Abschirmung von Lu-177 sollte aufgrund der deutlich höheren β-Intensität in erster Linie Acrylglas verwendet werden. Eine Dicke von 3mm Acrylglas ist zur Abschirmung der hier auftretenden β-Energien absolut ausreichend. Zusätzlich empfiehlt sich zur Abschirmung des γ-Anteils und der auftretenden Bremsstrahlung eine zusätzliche Schicht aus Blei oder Wolfram von ca. 1-3 mm.

Herstellung des Radionuklids

Bei Lu-177 handelt es sich um ein nicht natürlich vorkommendes Reaktornuklid, das durch zwei verschiedene Verfahren hergestellt werden kann:

Bei der ersten Methode entsteht das Lu-177 durch Neutroneneinfang aus Lu-176. Für die medizinische Produktion wird Lu-176 in Kernreaktoren mit thermischen Neutronen bestrahlt und so geträgertes Lu-177 erzeugt. „Geträgert“ bedeutet in diesem Fall, dass das Endprodukt aufgrund des Herstellungsverfahrens auch noch einen gewissen Anteil an stabilem Lu-176 enthält. Geträgerte Nuklide besitzen dementsprechend eine geringere Aktivität pro Stoffmenge als nicht geträgerte-Nuklide.

Lu-177 herstellung 1

Ein zweiter Nachteil bei diesem Herstellungsverfahren ist die Entstehung des langlebigen Isotops Lu-177m mit einer Halbwertszeit von 160,4 Tagen. Der Anteil an Lu-177m kann je nach Bestrahlungsparameter bis zu 0,1% betragen.

Lu-177m zerfällt entweder über einen  β -Zerfall direkt in das Stabile Hf-177 (77,3%) oder über einen isomeren Übergang in Lu-177 (22,7%). Aufgrund des geringen Anteils der Verunreinigung und der geringeren Energie verglichen mit Lu-177 spielt Lu-177m für die Abschirmung des Gemisches eine untergeordnete Rolle. Relevant wird es aber aufgrund der langen Halbwertszeit und geringen Freigabegrenzen bei der Beseitigung der radioaktiven Abfälle (s. Abschnitt zum Abfallmanagement).

 

Bei der zweitenLu-177 Herstellung 2 Methode wird Yb-176 mit thermischen Neutronen bestrahlt, sodass über Neutroneneinfang das instabile Yb-177 entsteht. Dieses zerfällt wiederum über β -Zerfall mit einer Halbwertszeit von 1,9 Stunden in das gewünschte Lu-177. Das bei diesem Vorgehen entstehende Lu-177 ist dementsprechend ungeträgert und frei von Verunreinigungen mit Lu-177m und somit der direkten Neutronenbestrahlung von Lu-176 eindeutig vorzuziehen. Problematisch und kostenintensiv ist hier jedoch die anschließende radiochemische Abtrennung des Lu-177 vom Ytterbium. 

Im Gegensatz zum Lutathera wird bei der Herstellung von Pluvicto in aller Regel die trägerfreie Methode verwendet, sodass Verunreinigungen mit Lu-177m ausgeschlossen werden können. Eine Verunreinigung mit Lu-177m hätte aufgrund der langen Halbwertszeit von Lu-177m Konsequenzen für den weiteren Umgang und das Abfallmanagement. Näheres hierzu auf unserer Seite zu Lutathera.

Therapieablauf

Vorbereitung

Indikationsstellung

Die Behandlung darf nur durchgeführt werden, wenn die rechtfertigende Indikation nach § 83 StrlSchG durch einen fachkundigen Nuklearmediziner gestellt wurde.

Pluvicto kann zur Behandlung von Patienten mit einem progredienten Prostataspezifischen-Membranantigen-(PSMA-)positiven, metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC)eingesetzt werden. Die Anwendung beschränkt sich ausschließlich auf erwachsene Patienten. Vor dem Einsatz von Pluvicto müssen die Patienten bereits eine Inhibition des AR-Signalwegs, bspw. durch Abirateronacetat oder Enzalutamid, sowie ein oder zwei taxanbasierte Chemotherapien erhalten haben.

Vor Therapiebeginn muss eine umfassende Diagnostik erfolgen, um mögliche Kontraindikationen auszuschließen. Diese umfasst:

  1. PSMA-Bildgebung (SPECT-CT oder PET-CT) zur Bestätigung der PSMA-Positivität des zu behandelnden Tumorgewebes:
    • Grundsätzlich sollte der der Uptake im Tumorgewebe mindestens so hoch sein wie der Uptake des umliegenden gesunden Gewebes. In einer Phase 2 Studie von Hofman et al. wurde jedoch folgendes Kriterium empfohlen:
      • Maximaler Uptake des Tumorgewebes (SUVmax) > 1,5 x Mittlerer Uptake des Lebergewebes (SUVmean)
      • Ausschluss von Krankheitsherden ohne PSMA-Expression
      • Ausschluss von Lebermetastasen ohne PSMA-Expression
  2. Labordiagnostik:
    • Hämatologie: HB, Leukozyten, absolute Neutrophilenanzahl und Thrombozyten
    • Nierenfunktion: Serum-Kreatinin und Kreatinin-Clearance
    • Leberfunktion: Alanin-Aminotransferase (ALAT), Aspartat-Aminotransferase (ASAT), LDH, Albumin, alkalische Phosphatase und Gesamtbilirubin
    • PSA, CRP, Calcium, Kalium
  3. Nierenfunktionsszintigraphie zum Ausschluss einer Harnabflussstörung

Insbesondere die Labordiagnostik muss unmittelbar vor jeder Anwendung mit Pluvicto durchgeführt werden, um gegebenenfalls die Aktivität oder die Pause zwischen den Zyklen anzupassen. Nach der letzten Infusion mit Pluvicto sollte die Labordiagnostik alle 2-3 Wochen für mindestens drei Monate und anschließend alle sechs Monate fortgeführt werden, um mögliche Spätwirkungen zu erfassen.

Kontraindikationen:

  • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder folgende Bestandteile:
  • Kreatinin-Clearance < 50 ml/min nach Cockcorft-Gault-Formel oder terminale Nierenerkrankung
  • Patientenalter < 18 Jahre
  • Lebenserwartung < 3 Monate
  • ECOG 3 und 4
  • Nicht beherrschbare Urininkontinenz
  • Nicht beherrschbare psychiatrische Erkrankungen
  • Schwere Comorbiditäten
  • Krankheitsherde ohne darstellbare PSMA-Expression
  • Es kann aus anderen hier nicht genannten Gründen nicht festgestellt werden, dass der gesundheitliche Nutzen dem mit der Therapie verbundenen Strahlenrisiko überwiegt.
  • Symptomatischen oder klinisch/radiologisch drohende Rückenmarkskompression

Aufklärung über mögliche Nebenwirkungen

Wie bei anderen Verfahren kann es auch bei der Anwendung von Pluvicto zum auftreten unerwünschter Nebenwirkungen kommen. Die in der VISION-Studie (529 Patienten) beobachteten Nebenwirkungen sind in der nebenstehenden Tabelle aufgeführt.

Darüber hinaus sollte der Patient darüber aufgeklärt werden, dass es infolge der Behandlung von kumulativ bis zu 44,4 GBq Pluvicto zu einer strahleninduzierten Unfruchtbarkeit kommen kann. Sollte nach der Behandlung ein Kinderwunsch bestehen, ist eine frühzeitige genetische Beratung zu empfehlen.

Nebenwirkung Häufigkeitsklasse

Erkrankungen des Blutes und des Lymphsystems

Anämie
sehr häufig
Thrombozytopenie
sehr häufig
Leukopenie
sehr häufig
Lymphopenie
sehr häufig
Panzytopenie
häufig

Erkrankungen des Nervensystems

Schwindelgefühl
häufig
Kopfschmerzen
häufig
Dysgeusie
häufig

Augenerkrankungen

Trockenes Auge
häufig

Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts

Mundtrockenheit
sehr häufig
Übelkeit
sehr häufig
Obstipation
sehr häufig
Erbrechen
sehr häufig
Durchfall
sehr häufig
Abdominalschmerz
sehr häufig

Allgemeine Erkrankungen und Beschwerden am Verabreichungsort

Müdigkeit
sehr häufig
Verminderter Appetit
sehr häufig
Vermindertes Gewicht
sehr häufig
Peripheres Ödem
häufig
Fieber
häufig

Erkrankungen der Niere und Harnwege

Harnwegsinfektion
sehr häufig
Akute Nierenschädigung
häufig
sehr häufig (≥ 1/10); häufig (≥ 1/100, < 1/10); gelegentlich (≥ 1/1 000, < 1/100); selten (≥ 1/10 000, < 1/1000); sehr selten (< 1/10 000)

Festlegung von Therapieaktivität und -zeitpunkt

Standardmäßig umfasst das empfohlene Behandlungsschema von Pluvicto sechs Infusionen mit jeweils 7,4 GBq. Der empfohlene Abstand zwischen zwei Anwendungen beträgt 6 (±1) Wochen.

Zum Management von auftretenden Nebenwirkungen infolge bisheriger Zyklen und/oder bei schlechter Nieren- oder Leberfunktion kann eine Verlängerung der Intervalle zwischen zwei Anwendungen erforderlich sein. Beträgt die nebenwirkungsbedingte Therapieverzögerung mehr als 4 Wochen, muss die Behandlung abgebrochen werden.

Ebenso ist es möglich die Applikationsdosis aufgrund von Nebenwirkungen einmalig um bis zu 20% zu reduzieren. Einmal reduziert sollte die Dosis in der Folge nicht mehr erhöht werden. Müsste aufgrund weiterer Nebenwirkungen die Dosis zusätzlich reduziert werden, so ist die Behandlung abzubrechen.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über Nebenwirkungen und empfohlene Dosisanpassungen:

Nebenwirkung Schweregrad* Anpassung
Mundtrockenheit
Grad 3
Dosis um 20 % reduzieren
Gastrointestinale Toxizität
Grad ≥ 3 (kein Ansprechen auf medizinische Intervention)
  • Pluvicto aussetzen bis Besserung auf Grad 2 oder Ausgangszustand erreicht ist (max. 4 Wochen)
  • Dosis um 20% reduzieren
  • Anämie
  • Thrombozytopenie
  • Leukopenie
  • Neutropenie
  • Panzytopenie
Grad 2
  • Pluvicto aussetzen bis Besserung auf Grad 1 oder Ausgangszustand erreicht ist (max. 4 Wochen)
  • Management nach Erfordernis. Die Anwendung von Wachstumsfaktoren ist zulässig, sollte aber beendet werden sobald Besserung auf Grad 1 oder Ausgangszustand erreicht ist. Eine Kontrolle des Spiegels blutbildender Komponenten sowie Supplementierung werden empfohlen. Transfusionen können nach klinischer Indikation verabreicht werden.
Grad ≥ 3
  • Pluvicto aussetzen bis Besserung auf Grad 1 oder Ausgangszustand erreicht ist (max. 4 Wochen)
  • Dosis um 20% reduzieren
Nierentoxizität

Definiert als:

  • Bestätigter Anstieg des Serumkreatinins (Grad ≥ 2)
  • Bestätigte Kreatinin-Clearance < 50 ml/min; Berechnung nach Cockcroft-Gault mit aktuellem Körpergewicht
Pluvicto aussetzen bis Besserung eintritt (max. 4 Wochen)

Definiert als:

  • Bestätigter Anstieg des Serumkreatinins um ≥ 40% gegenüber dem Ausgangswert

und

  • Bestätigte Abnahme der Kreatinin-Clearance um ≥ 40% gegenüber dem Ausgangswert; Berechnung nach Cockcroft-Gault mit aktuellem Körpergewicht
  • Pluvicto aussetzen bis Besserung oder Ausgangszustand erreicht ist (max. 4 Wochen)
  • Dosis um 20% reduzieren
Wiederkehrende Nierentoxizität Grad ≥ 3
Therapieabbruch
Rückenmarkskompression
Alle Grade
Pluvicto aussetzen bis die Kompression behandelt wurde und sich etwaige neurologische Folgeschäden sowie der ECOG-Patientenstatus stabilisiert haben (max. 4 Wochen)
Frakturen von tragenden Knochen
Alle Grade
Pluvicto aussetzen bis die Fraktur adäquat stabilisiert/behandelt wurde und sich der ECOG-Patientenstatus stabilisiert hat (max. 4 Wochen)
Fatigue
Grad ≥ 3
Pluvicto aussetzen bis Besserung auf Grad 2 oder Ausgangszustand erreicht ist (max. 4 Wochen)
Elektrolyt- oder metabolische Abnormitäten
Grad ≥ 2
Pluvicto aussetzen bis Besserung auf Grad 1 oder Ausgangszustand erreicht ist (max. 4 Wochen)
Nichthämatologische Toxizität (klinisch signifikant, nicht anderweitig genannt)
Grad ≥ 2
Pluvicto aussetzen bis Besserung auf Grad 1 oder Ausgangszustand erreicht ist (max. 4 Wochen)
AST- oder ALT-Anstieg
AST- oder ALT-Anstieg auf mehr als das 5-fache der ULN ohne Vorliegen von Lebermetastasen
Therapieabbruch

*Vergleichbare Grenzwerte gelten für die Ausgangswerte zum Zeitpunkt der Behandlungseinleitung

Anlieferung von Pluvicto

Pluvicto wird am Therapietag auf 7,4 GBq kalibriert (Kalibrierzeitpunkt: 12 Uhr MEZ) angeliefert. Das Liefervolumen beträgt je nach Charge zwischen 7 und 12 ml.

Nach der Anlieferung sollte eine Erwerbskontrolle durch das fachkundige Personal mithilfe eines zuvor kalibrierten Aktivimeters erfolgen. Zwecks Kalibrierung kann vor Durchführung der ersten Therapie eine Kalibrieraktivität beim Hersteller bezogen werden. Die Abweichung der gemessenen Aktivität sollte einen Wert von ± 3 % zu der im Lieferschein ausgewiesenen Aktivität nicht überschreiten. Bei höheren Abweichungen muss Kontakt zum Hersteller aufgenommen und eine Verschiebung der Therapie erwogen werden.

Neben der Aktivität wird die Injektionslösung auf optische Auffälligkeiten überprüft. Die Lösng muss klar bis leicht gelblich und frei von Partikeln sein. Auch das Injektionsfläschchen selbst sowie dessen Abschirmung sollte keine Beschädigungen aufweisen. Nur eine unversehrte Injektionslösung darf auch zur Therapie verwendet werden. Aus Strahlenschutzgründen sollte die Sichtprüfung zwingend hinter einer Bleiabschirmung erfolgen.

Ergaben die Erwerbs- und Sichtkontrolle keine Auffälligkeiten, kann die Aktivität zur Therapie freigegeben werden. Die Therapie darf jedoch erst erfolgen, wenn auch die offizielle Chargenfreigabe durch Novartis vorliegt. Bis dahin sollte die Lösung im Tresorraum gesichert und abgeschirmt zwischengelagert werden.

Vorbereitung des Applikationsraums und der Ausrüstung

Die nachfolgenden vorbereitenden Maßnahmen sowie Materiallisten dienen als Beispiel für die benötigte Applikationsausrüstung. Das tatsächliche Vorgehen hängt von der gewählten Applikationsmethode (s. nachstehendes Kapitel), den innerbetrieblichen Hygienevorschriften und den persönlichen Anforderungen an den Strahlenschutz ab und kann somit klinikindividuell variieren. Bei der Infusion mittels Schwerkraftmethode können beispielsweise die folgenden Vorbereitungen und Ausstattungen erforderlich sein:

Aufgrund des prominenten Gammaanteils beim Zerfall von Lu-177 (s.o.) erfolgt die Durchführung unter Beachtung von § 122 StrlSchV zur Beschränkung der Exposition der Bevölkerung stationär auf einer dafür vorgesehenen Nuklidstation. Zur Vermeidung von Oberflächenkontaminationen infolge der Applikation ist es empfehlenswert, den Boden und alle gefährdeten Oberflächen mit saugfähigen und einseitig versiegelten Tüchern/Gewebepapier abzudecken.

injektionsflasche

  • Eine Durchstechflasche Pluvicto mit einer Lieferaktivität von 7,4 GBq zum angegebenen Therapiedatum (s. Bild re. oben).

    Sollte eine Anpassung der Applikationsaktivität nach den in Tab. 2 genannten Kriterien nötig sein, muss die überschüssige Aktivität mit einer Spritze abgezogen werden. Zur Abschirmung der Spritze wird eine Kombiabschirmung aus Acrygl

  • kombi spritzenabschirmung

    as und Wolfram verwendet, um sowohl β- als auch γ- und Bremsstrahlung abzuschirmen (s. Beispielbild re.).

  • Ein geeignetes Antiemitikum zur Prämedikation unmittelbar vor Durchführung der Therapie, da es durch die Infusion von Pluvicto zu Übelkeit und Erbrechen kommen kann. 
  • Nitril-Handschuhe in verschiedenen Größen
  • Überschuhe
  • Lochtuch für den Arm des Patienten
  • Abdeckplane und Acrylplatten für den Fall einer Bodenkontamination
  • Plexiglasbehälter zur Abschirmung der Infusionslösung und als Überlaufschutz
  • Verschließbare Spuckbeutel
  • Gerät zur Messung der Ortsdosisleistung an der Durchstechflasche (bspw. elektronisches Personendosimeter)
  • Gerät zur Messung der Ortsdosisleistung am Brustkorb des Patienten (bspw. FH40-G)
  • Kontaminationsmonitor
  • Infusionsständer
  • Langnadel (1,2 x 100 mm)
  • Kurznadel (0,9 x 25 mm)
  • Dreiwegehahn
  • Applikationswagen mit Vertiefung
  • 500 ml NaCl mit Infusionsset
  • 3×10 ml NaCl Spritzen zum Testen des Zugangs und Spülen nach Abschluss der Infusion
  • Heidelberger Verlängerung zur Verbindung der Langnadel mit dem Dreiwegehahn am Patienten
  • Zwei Klammern zur Regulierung oder Unterbrechung des Flusses von Pluvicto
  • Vialzange und Langpinzette zum Hantieren mit der Pluvicto-Durchstechflasche)
  • Kühlpacks für die Parotiden des Patienten

Applikation

applikationsablauf Pluvicto
Zeitlicher Ablauf der Pluvicto Infusion

Vor Beginn der Applikation sollte der Patient ein Antiemetikum erhalten, da die Behandlung mit Pluvicto zu Übelkeit führen kann. Sollte es dennoch zu Übelkeit/Erbrechen kommen, werden verschließbare Spuckbeutel bereitgehalten. Um dabei auftretende Kontaminationen zu minimieren, werden die Spuckbeutel möglichst bündig angelegt.

Die zu verabreichende Aktivität wird unmittelbar vor Therapiebeginn nochmals in einem rückführbar kalibrierten Aktivimeter gemessen und der Messwert dokumentiert. Sollte aufgrund von Nebenwirkungen eine Dosisanpassung nötig sein, muss die überschüssige Aktivität mit einer Spritze abgezogen werden. Dazu sollte eine Spritzenabschirmung bestehend aus min. 3mm Acrylglas und 1mm Wolfram bzw. Blei verwendet werden (siehe Bild oben).

Pluvicto kann als langsamer Bolus gespritzt, mithilfe einer Infusionspumpe oder als passive Infusion mittels Schwerkraftmethode verabreicht werden.  Alle drei Methoden sowie deren Vor- und Nachteile werden im Folgenden kurz vorgestellt. 

Unabhängig von der gewählten Methode erhält der Patient einen frischen venösen Zugang mit Anschluss an einen Dreiwegehahn, der ausschließlich für die Applikation von Pluvicto verwendet wird. Der Zugang ist vor Beginn der Applikation mit mindestens 10 ml NaCl-Lösung auf Durchlässigkeit zu prüfen. Zudem muss der Stopfen der Durchstechflasche zuvor desinfiziert und alle Schlauchverbindungen mit NaCl zuvor befüllt bzw. entlüftet werden.

Die Applikation darf erst nach Freigabe der Charge durch Novartis gestartet werden.

1. Spritzenmethode:

Die zu applizierende Aktivität wird mithilfe einer Einwegspritze (mit Spritzenabschirmung) aufgezogen und an den Dreiwegehahn des Patienten angeschlossen, an dem neben der Pluvicto-Spritze auch ein 500 ml NaCl Beutel angeschlossen wird. Anschließend erfolgt die Applikation als langsamer Bolus über etwa 5 bis 10 Minuten. Es empfiehlt sich gerade zu Beginn zwischendurch den Katheter immer wieder mit NaCl zu prüfen, um das Risiko einer Kontaminiation oder eines Paravasats zu minimieren. Nach Abschluss der Applikation werden die Spritze und der Zugang mindestens dreimal mit NaCl gespült. Dadurch werden Restaktivitäten in Spritze und Zugang minimiert sowie hohe Dosiswerte an der Infusionsstelle vermieden.

Abschließend wird die Spritze im Aktivimeter zurückgemessen. Dabei ist darauf zu beachten, dass die Spritze mit einem Volumen befüllt wird, das mit den Kalibrierbedingungen übereinstimmt. Die applizierte Aktivität ergibt sich aus der Differenz zwischen den Spritzenaktivitäten vor und nach Applikation.

Vorteile:

  • Einfache Anpassung der Applikationsaktivität möglich
  • Geringes Kontaminationsrisiko
  • Schnelle Reaktion bei einem Paravasat möglich
  • Kurze Applikationsdauer

Nachteile:

  • Aktivimeter muss neben der Vial- auch auf die Spritzenmessung kalibriert werden
  • Erhöhte Strahlenexposition

2. Infusionspumpe

Die Infusionspumpe wird mit dem ausgehenden Anschluss an den Zugang des Patienten und mit dem eingehenden Anschluss an einen Dreiwegehahn angeschlossen, über den sie mit einem 500 ml NaCl-Beutel sowie der Langnadel verbunden ist. Die Pluvicto Injektionsflasche wird mithilfe einer Kurznadel zur Entlüftung  angestochen. Dabei ist zu beachten, dass die Nadel nicht in die Injektionslösung hineinragt, da es andernfalls zu Kontaminationen kommen kann. Anschließend wird die Langnadel mit der Injektionsflasche verbunden, die im Gegensatz zur Kurznadel bis zum Grund der Flasche vorgeschoben wird. Nach Prüfung aller Verbindungen kann die Infusion mit ca. 25 ml/Stunde gestartet werden.

Um auf Paravasate oder Leckagen zeitnah reagieren zu können, sollten die ersten Minuten der Infusion beaufsichtigt werden und anschließend Kontrollen in fünfminütigen Intervallen erfolgen.

Die Injektionsflasche wird während der Infusion hinter einer Abschirmung aus Acrylglas oder einer Kombination aus Aycrylglas und Blei gelagert. Infusionspumpen, die direkt auch über eine geeignete Abschirmung verfügen, ist bspw. der ASTER-Injektor (s. nebenstehendes Bild).

Vorteile:

  • Einfache Anpassung der Infusionsgeschwindigkeit
  • Geringes Kontaminationsrisiko
  • Geringe Personalexposition

Nachteile:

  • Zusätzliches Gerät erforderlich
  • Reaktionszeit bei auftretender Kontamination oder Paravasat ggf. verzögert
  • Kein Durchspülen des Vials möglich → Ggf. hohe Restaktivität in der Durchstechflasche

3. Schwerkraftmethode

Schwerkraftmethode Pluvicto
Skizze zur Infusion von Pluvicto mittels Schwerkraftmethode

Das bei der Schwerkraftmethode verwendete Infusionssystem besteht aus drei Ebenen (s. obenstehende Abbildung).

Die oberste Ebene bildet eine isotonische NaCl-Lösung (250 ml). Diese fließt über eine Schlauchverbindung in die Pluvicto-Infusionslösung (mittlere Ebene). Von da aus führt eine zweite Schlauchverbindung schließlich über einen Venenkatheter in den Patienten (untere Ebene). Der Fluss der isotonischen NaCl-Lösung erhöht dabei den Druck in der Pluvicto-Infusionslösung, sodass der Fluss von Pluvicto in den Venenkatheter des Patienten erhöht wird.

Der dazu verwendete Venenkatheter wird speziell für die Infusion von Pluvicto gelegt. Der Venenkatheter wird anschließend durch Aspiration und Gabe von NaCl überprüft, um ein mögliches Paravasat zu vermeiden. Zur Vermeidung von Hautkontaminationen durch mögliche Leckagen der Schlauchverbindungen wird der Bereich um den Venenkatheter mithilfe eines Lochtuchs abgedeckt.

Die Injektionslösung befindet sich bei der Applikation in einer Plexiglasabschirmung sowie auf einem Fahrwagen mit Vertiefung, um die Strahlenbelastung für das Personal sowie mögliche Kontaminationen durch Überlaufen zu minimieren. Dazu kann beispielsweise ein SIRT-Arbeitsplatz, wie in der Abbildung recht zu sehen, verwendet werden.

pluvicto abschirmung
SIRT Arbeitsplatz zur Verwendung bei der Schwerkraftmethode

Sobald der Venenkatheter vorbereitet ist kann, dieser mithilfe einer Schlauchleitung mit der Pluvicto Infusionslösung verbunden und die Therapie eingeleitet werden:

  1. Verbindung des Infusionsschlauchs mit dem NaCl-Beutel und Anschluss der Kurznadel.
  2. Vorfüllen der Schlauchleitung.
  3. Klammer (B) schließen.
  4. Entfernung des Siegels und Desinfektion des Deckels der Injektionsflasche
  5. Einführung der Kurznadel in die Pluvicto-Durchstechflasche, sodass diese nicht die radioaktive Lösung berührt.
  6. Dreiwegehahn mittels Heidelberger Verlängerung an Langnadel anschließen und Schlauch mit NaCl befüllen.
  7. Dreiwegehahn verschließen.
  8. Einführung der Langnadel in die Pluvicto-Durchstechflasche, sodass diese den Grund der Durchstechflasche berührt, um eine vollständige Entnahme der radioaktiven Lösung zu ermöglichen.
  9. Dreiwegehahn an den Zugang des Patienten anschließen.
  10. Zugang mit NaCl spülen.
  11. Dreiwegehahn zur Injektionslösung öffnen.
  12. Klemme (A) öffnen.
  13. Klemme (B) öffnen.
    • Regulation der Durchflussgeschwindigkeit mithilfe der Klammern A und B, sodass eine Flussrate von anfänglich 40 – 100 ml/h in den ersten 5-10 Minuten und anschließend ca. 400 ml/h erreicht wird.
    • Zu- und Abfluss der Durchstechflasche so regeln, dass der Druck in der Durchstechflasche konstant bleibt und es nicht zu einem Überlaufen der Aktivität kommt.
  14. Patientenarm während der Applikation ruhigstellen.
  15. Nach den ersten Minuten der Infusion wird die Dosisleistung über dem Brustkorb des Patienten gemessen. Kommt es zu keinem Anstieg der Dosisleistung ist dies ein Indiz für ein Paravasat und die Therapie sollte durch Schließen von Klammer B und A unterbrochen werden.
  16. Der Flüssigkeitspegel in der Durchstechflasche sollte während der Therapie mehrmals auf Konstanz kontrolliert werden.
    • Bei Abnahme muss der Zufluss der NaCl-Lösung erhöht bzw. bei Zunahme verringert werden.

Abschluss der Infusion

Sobald der Ortsdosisleistungsmesswert neben der Durchstechflasche über mehrere Minuten konstant bleibt gilt die Applikation als beendet.

  1. Klemme (B) schließen.
  2. Mit 10 ml NaCl am Dreiwegehahn spülen.
  3. Dreiwegehahn schließen.
  4. Zwei Klemmen ca. 10 cm über der Kurznadel anbringen und den Schlauch zwischen den Klemmen durchschneiden.
  5. Nadeln mit feuchter Mullbinde umwickeln und aus der Injektionslösung ziehen.
  6. Nadeln mit den verbundenen Schläuchen in den abgeschirmten Spritzenabwurf einbringen.
  7. Lösung zurückmessen.
  8. Abfall messen.

Zeitlicher Ablauf der Applikation nach Schwerkraftmethode

Ein exemplarischer Zeitablauf bei der Verwendung der Schwerkraftmethode kann der nachstehenden Tabelle entnommen werden:

Arbeitsschritt Startzeit Dauer Anmerkungen
Antiemetikum verabreichen
-120 Minuten
Als Bolus bzw. gemäß Herstellerangaben
Infusionsset für Pluvicto vorbereiten
-30 Minuten
  • 250 ml NaCl
  • Vorbefüllen des Schlauchsystems
  • Schließen der Klammern
  • Kurznadel an NaCl, Langnadel an Venenkatheter
  • Fluss des Venenkatheters kontrollieren
  • EPD an Plexiglasabschirmung
  • Positionieren und einschalten
Start der Pluvicto-Infusion
± 0 Minuten
30-40 Minuten
  • Öffnen der Klammer A und B
  • Start mit ca. 40 bis 100 ml/h
  • Fluss kontrollieren
Kontrolle des Infusionflusses
+ 5 Minuten
  • Dosisleistung über Brustkorb des Patienten messen.
  • Füllstand in Injektionsflasche kontrollieren
Flussrate erhöhen
+ 10 Minuten
Flussrate auf ca. 400 ml/h erhöhen
Kontrollen
+ 15, 20, 25, 30 Minuten
  • Vitalzeichen
  • Füllstand der Injektionsflasche
  • Dosisleistung an Injektionsflasche
  • Venenkatheter
Abschluss der Infusion
Ca. + 30 – 40 Minuten
  • Dosisleistung an Injektionsflasche bleibt über 2 Kontrollen konstant
  • Schließen der Klammern A und B
  • Einbringen des Schlauchsystems vom Venenkatheter in Kanülenbox
Patientennachsorge
Nach Abschluss der Applikation
Ca. 4h
  • Strenge Überwachung von Übelkeit
  • Weitere Kühlung der Parotiden
Messung der Injektionsflasche im Aktivimeter
+ 45 Minuten
  • Messung der im Vial verbliebenden Aktivität
  • Berechnung der appl. Aktivität
  • Lagerung im Tresorraum
Kontaminationskontrolle d. verbrauchten Materialien und Gegenstände
+ 170 Minuten
  • Gegebenenfalls Einlagerung/Dekontamination oder Einbringung in Kanülenbox
  • Abschätzung der Aktivität in Kanülenbox

Vorteile:

  • Langsame und somit besser verträgliche Applikation
  • Geringes Kontaminationsrisiko bei Verwendung eines Überlaufschutzes
  • Keine zusätzlichen Geräte erforderlich
  • Geringe Personalexposition
  • Geringe Restaktivität in der Durchstechflasche

Nachteile:

  • Reaktionszeit bei auftretender Kontamination oder Paravasat ggf. verzögert
  • Überlaufgefahr der Durchstechflasche
  • Hohe Applikationsdauer

Verhalten bei einem Paravasat

Zur Vermeidung eines Paravasats wird der Venenkatheter vor Beginn der Infusion durch Aspiration und Gabe von NaCl getestet. Zusätzlich wird bei der Schwerkraftmethode zu Beginn der Infusion mithilfe einer Dosisleistungsmessung über der Brust überprüft, ob die Aktivität in den Blutstrom gelangt. Kommt es dennoch zu einem Paravasat sind folgende Maßnahmen zu ergreifen:

  1. Stoppen der Infusion
  2. Entfernung des Venenkatheters – Einbringung in die abgeschirmte 600ml Kanülenbox (Abschirmung Bild rechts).
  3. Markierung des Paravasates mit einem Stift – Dokumentation durch Fotografie und Notieren des Zeitpunktes.
  4. Hochlagern des Armes, um den Blutfluss zu erhöhen.
  5. Je nach Fall Aspiration des Paravasates, Injektion von NaCl oder Anwendung warmer Kompressen diskutieren.
  6. Symptombezogene Behandlung (auftretende Entzündungen/Schmerzen).
  7. Überwachung des Paravasates bis zur Entlassung des Patienten.
  8. Abschätzung und Dokumentation der fehlapplizierten Aktivität durch Messung der Injektionsflasche im Aktivimeter und Abschätzung der im Schlauchsystem enthaltenen Aktivität durch eine Ortsdosisleistungsmessung. Falls mehr als 15 % der vorgesehenen Aktivität fehlappliziert wurden handelt es sich um ein meldepflichtiges bedeutsames Vorkommnis nach Anlage 14 StrlSchV.
lutathera abfallabschirmung
Abschirmung aus Acrylglas

Abschluss der Applikation

Nach Abschluss der Applikation wird die verbliebende Infusionslösung im Aktivimeter gemessen. Die tatsächlich applizierte Aktivität ergibt sich aus der zerfallskorrigierten Differenz von Voll- und Leerspritze bzw. -vial.  Erfolgt keine Volumenkorrektur, müssen bei der Messung der Restaktivität die Kalibrierbedingungen eingehalten werden. Das Volumen muss dementsprechend ggf. mit NaCl aufgefüllt werden.

Die Infusionslösung wird anschließend als Primärabfall im Tresor des Heißraums zwischengelagert. Alle Sekundärabfälle (Zugang, Abdeckungen, Schutzkleidung, Tupfer etc.), die potenziell mit Lu-177 in Kontakt gekommen sind oder sein könnten, werden mithilfe eines Kontaminationsmonitors überprüft. Alle kontaminierten Sekundärabfälle werden anschließend bspw. in eine Kendall 600ml Kanülenbox eingebracht (für das weitere Vorgehen siehe unten). Die Kontaminationsfreiheit der beteiligten Personen und nicht eingelagerten Gegenstände wird dokumentiert.

Stationärer Aufenthalt

Nach Abschluss der Infusion ist der Patient angehalten während des stationären Aufenthaltes möglichst viel zu trinken (mind. 1 Glas pro Stunde). Dies fördert die Eliminierung des nicht aufgenommenen Lu-177 und reduziert so die Organbelastung.

Zur Reduktion der Dosisbelastung der Ohrspeichdrüsen erfolgt parallel zur Applikation eine Kühlung der Parotiden mit Kühlpacks. Die Kühlung wird nach Abschluss der Applikation noch einige Stunden beibehalten.

Aufgrund der hohen Ausscheidungsrate in den ersten 48 Stunden nach Applikation sowie der vom Patienten ausgehenden Gammastrahlung erfolgt die Anwendung von Pluvicto ausschließlich stationär. Erst nach absehbarer Unterschreitung einer Ortsdosisleistung von 1 mSv pro Kalenderjahr in zwei Meter Abstand (unter Berücksichtigung des radioaktiven Zerfalls und der Ausscheidung) und frühestens nach 48 Stunden kann nach Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin die Entlassung des Patienten erfolgen. Beiträge von vorherigen Therapien im laufenden Kalenderjahr müssen dabei berücksichtigt werden. Bei regelhaftem Stoffwechsel und einer Applikation von 7,4 GBq kann mit einer Entlassung nach der Mindestaufenthaltsdauer von 48 – 72 h gerechnet werden.

Während des Aufenthaltes ist ein Verlassen der Station und somit des Kontrollbereichs sowie ein Besuch des Patienten durch nicht beruflich exponiertes Personal nur nach Genehmigung durch einen Strahlenschutzbeauftragten gestattet.

Für die Versorgung durch das Pflegepersonal sind insbesondere an Tag 1 der Therapie mindestens 8 Visiten pro Tag, eine zu den Mahlzeiten und jeweils eine dazwischen, empfehlenswert. Zu den Visiten sollten folgende Kontrollen durchgeführt werden:

  • Vitalzeichen
  • Übelkeit
  • Allgemeines Befinden
  • Essensreste und Geschirr freimessen
  • Personal freimessen

Um die Strahlenbelastung für das Personal zu reduzieren, kann die Überwachung der Vitalparameter über ein an die IT-Infrastruktur angebundenes Gerät (bspw. Mindray Vital Sigus Monitor Model VS 9) erfolgen. So hat das Pflegepersonal jederzeit Zugriff auf die aktuellen Daten, ohne mit dem Patienten in Kontakt treten zu müssen.

Bei der Führung von Patientengesprächen während der Visite können zudem mobile Strahlenschutzwände (mind. 5 mm Blei/Wolfram) eingesetzt werden (s. Abb. rechts).

lutathera mobile bleiabschirmung
Mobile Bleiabschirmung im Patientenzimmer

Entlassung

Nach § 122 StrlSchV sowie der Richtlinie zur Strahlenschutzverordnung Strahlenschutz in der Medizin ist eine Entlassung des Patienten erst möglich, wenn die zu erwartende effektive Dosis in der Umgebung des Patienten im Kalenderjahr einen Wert von 1 mSv nicht überschreitet. Dabei darf zur Abschätzung der effektiven Dosis in der Umgebung des Patienten die Umgebungs-Äquivalentdosis H*(10) in 2 Meter Entfernung herangezogen werden.

Gemäß einer 2015 publizierten Studie von Gleisner et al. („Long-Term Retention of 177Lu/177mLu-DOTATATE in Patients Investigated by γ -Spectrometry and γ-Camera Imaging”) ist die Abnahme des Lu-177-Uptakes in den Tumoren deutlich langsamer als die des Ganzkörper-Uptakes in der ersten Woche. Somit würde die Jahresexposition in zwei Meter Abstand bei Verwendung einer in der ersten Woche gemessenen effektiven HWZ unterschätzt. Aus diesem Grund wird von vielen Behörden aktuell die konservative Berechnung der Entlassungsdosis unter Verwendung der physikalischen Halbwertszeit gefordert.

Bei mehreren Therapiezyklen im Jahr führt diese Regelung zu einer extrem niedrigen Entlassungsdosisleistung (s.u.), die je nach Uptake und Ausscheidungsrate zu stationären Aufenthaltsdauern von mehr als drei Tagen führen kann. Die dadurch bedingte längere Bettenbelgung verringert die jährliche Patientenkapazität und verschlechtert somit auch die Patientenversorgung. Aktuell werden Studien zur Untersuchung der Langzeit-Retention bei Lu-Therapien durchgeführt, um realistische Werte für die effektive Halbwertszeit bei der Berechnung der Entlassungsdosis ansetzen zu können und so die Verfügbarkeit der Therapie mittelfristig weiter zu verbessern.

Zur Festlegung des Entlassungszeitpunktes wird die Umgebungs-Äquivalentdosis H*(10) in 2 Meter Abstand mithilfe eines geeichten Ortsdosismessgerätes (bspw. X5Cplus) mindestens einmal täglich gemessen.

Die zu erwartende effektive Dosis in der Umgebung des Patienten ergibt sich dann durch Integration der Entlassungsdosisleistung in 2 Meter Abstand zu:

E = \dot{H}^{*}_{\text{Entl.}}(10)\cdot \int \limits_{0}^{\infin}e^{-\frac{\ln 2}{T_{\text{phy.}}}\cdot t} dt = \dot{H}^{*}_{\text{Entl.}}(10)\cdot \frac{T_{\text{phy.}}}{\ln 2}

Aufgrund der im Verhältnis zur Pause zwischen zwei Zyklen (6 Wochen) kurzen effektiven Halbwertszeit von erwartungsgemäß ca. 50 h müssen die Beiträge vorangegangener Zyklen zur Jahresdosis bei der Entlassung voll berücksichtigt werden:

E = \sum \limits_{k=1}^{n} E_k + \dot{H}^{*}_{\text{Entl.}}(10)\cdot \frac{T_{\text{phy.}}}{\ln 2},

mit n vorangegangenen Zyklen. Legt man die physikalische Halbwertszeit von Lu-177 (6,64 d) zugrunde, ergibt sich eine maximal zulässige Dosisleistung zum Zeitpunkt der Entlassung von 4,35 µSv/h pro Zyklus. Bei mehreren Zyklen pro Jahr reduziert sich die zulässige Dosisleistung um den Faktor der Zyklenanzahl n. Bei sechs Zyklen im Jahr ergibt sich eine maximal zulässige Dosisleistung zum Zeitpunkt der Entlassung von ca. 0,73 µSv/h.

Bei Entlassung wird der Patient über Verhaltensregeln aufgeklärt, die im Sinne des Strahlenschutzes für die ersten 1-2 Wochen beachtet werden sollten. Die Verhaltensregeln sollten zudem in dem Entlassungsschreiben aufgeführt werden. Dazu zählen:

  • Engen Kontakt (weniger als 1 Meter) zu anderen Personen für die kommenden 7 Tage nach Möglichkeit einschränken.
    • Bei schwangeren Frauen und/oder Kindern sollte der enge Kontakt auf maximal 15 Minuten pro Tag zu beschränkt werden.
  • Für die kommenden 7 Tage sollte nach Möglichkeit ein separates Schlafzimmer eingerichtet werden.
  • Bei Toilettengängen sollte eine strengere Hygiene eingehalten werden. Dazu zählt beispielsweise nicht im Stehen zu urinieren und sich anschließend die Hände gründlich zu waschen, um Kontaminationen nicht an andere Familienmitglieder weiterzugeben.
  • Bei Flugreisen im gleichen Jahr sollte das Kontrollpersonal auf die durchgeführte Radionuklidtherapie hingewiesen werden, um Missverständnissen vorzubeugen.

Das Schreiben sollte insbesondere bei Reisen vom Patienten mitgeführt werden.

Bildgebung

Zwecks Dokumentation der Aktivitätsverteilung und des Therapieansprechens sollte während des stationären Aufenthalts mindestens eine Ganzkörperaufnahme erfolgen. Abhängig vom Zustand des Patienten kann dies mittels planarer Aufnahme oder SPECT-CT mit mehreren Bettpositionen erfolgen. 

Bei der Durchführung der SPECT-CT können beispielsweise die folgenden Akquisitionsparameter gewählt werden:

Parameter Einstellung Anmerkung
Energiefenster

208 keV ± 10%

+ 113 keV ± 10% (optional)

Bei der Verwendung von 113 keV Rekonstruktion getrennt voneinander betrachten und nur bei Artefaktfreiheit anschließend fusionieren
Kollimator
MELP (Medium Energy Low Penetration)
Methode
Step and Shoot
Winkelbereich
180°
Bei Verwendung von zwei Kameraköpfen
Schrittweite
Insg. 60 Schritte
Aufnahmedauer
5 – 30 s pro Winkel
Abhängig von Sensitivität und Aufnahmezeitpunkt
Rekonstruktion
Mit Schwächungskorrektur

Dosimetrie

Die Durchführung einer individuellen Dosimetrie zwecks Aktivitätsanpassung ist aufgrund des Vorgehens in der Zulassungsstudie (VISION-Studie) nicht vorgesehen. Stattdessen erfolgt standardmäßig eine Applikation von 7,4 GBq und Dosisanpassungen erfolgen allein aufgrund von klinischen Parametern (s. Tab. 2). Somit ist auch eine Dosiseskalation bei der ersten Fraktion auf der Grundlage einer praetherapeutischen Dosimetrie, die in der Phase vor der Zulassung von Pluvicto üblich war, nicht ohne Weiteres möglich. Wird hiervon abgewichen, erfolgt dies auf Verantwortung des durchführenden Arztes.

Nichtsdestotrotz kann eine Dosimetrie sinnvoll sein, um beispielsweise nach zwei erfolgten Sitzungen die kumulierte Dosis der Risikoorgane vorherzusagen. Die limitierenden Organe bei der Radioligandentherapie sind die Nieren, die Speicheldrüsen und das Knochenmark. Die maximalen Toleranzdosen werden aus der Teletherapie übernommen, da es für die Radionuklidtherapie noch keine ausreichende Datengrundlage vorliegt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass aufgrund der unterschiedlichen Applikationsweisen der Therapieformen (Teletherapie: kurze Bestrahlung mit hoher Dosisleistung; Radionuklidtherapie: kontinuierliche Bestrahlung mit zunehmend sinkender Dosisleistung) auch Unterschiede hinsichtlich der Toleranzdosen gibt. Die aktuell verwendeten Toleranzdosen können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden:

Risikoorgan Toleranzdosis
Niere
23 Gy
Speicheldrüsen
30 Gy
Knochenmark
2 Gy

Zur Durchführung einer individuellen Dosimetrie erfolgen zu mehreren Zeitpunkten planare Ganzkörperaufnahmen oder SPECT-CT. Aufgrund möglicher Überlagerungen mehrerer Organe sowie Gewebeschwächungen ist die SPECT-CT der planaren Ganzkörperszintigraphie vorzuziehen, sofern es der Patientenzustand zulässt. Alternativ kann auch die erste Aufnahme mittels SPECT-CT und die darin ermittelte Schwächungskorrektur sowie die eingezeichneten Organkonturen auf die folgenden planaren Aufnahmen angewandt werden.

Über eine quantitative Auswertung der Uptakes in den einzelnen Aufnahmen können die Zeitaktivitätskurven und schließlich die Dosis der Risikoorgane ermittelt werden. Alternativ ist es auch möglich die Organdosen mit nur einer SPECT-CT in hinreichender Genauigkeit zu bestimmen. Der für diese Methode optimale Messzeitpunkt beträgt nach Hänscheid et al. (2018) 96 h nach Applikation. Dieser kann jedoch von klinikindividuellen Parametern abhängen und sollte deshalb vor Anwendung des Verfahrens zuvor für das eigene System verifiziert werden. Bevor eine quantitative Auswertung mittels SPECT-CT erfolgt, sollte das System in jedem Fall rückführbar kalibriert (mittels Phantom oder Prüfquelle bei xSPECT Quant) sowie eine Partialvolumenkorrektur mittels Recoverykurve durchgeführt werden.

Für die praktische Durchführung der Dosimetrie kann inzwischen auch eine ce-zertifizierte Software wie bspw. Olinda (Fa. Hermes) oder QDose (Fa. ABX-CRO) verwendet werden.

Erfolgt keine quantitative Bildgebung können die Organdosen mithilfe der im Beipackzettel angegebenen Konversionsfaktoren grob abgeschätzt werden (s. Tabelle re.). 

Abfallmanagement

Alle bei der Durchführung der Therapie sowie während des stationären Aufenthalts anfallenden Abfälle müssen auf Kontamination geprüft werden. Liegt eine Kontamination vor, so sind die Abfälle in einem gesonderten, ggf. abgeschirmten Behältnis einzulagern und zu beschriften. Nach Unterschreiten der in Anlage 4 Tab. 1 Spalte 3 der StrlSchV angegebenen Freigrenze zur uneingeschränkten Freigabe für Lu-177 (100 Bq/g) können die Abfälle gem. § 35 StrlSchV freigegeben und über die üblichen Entsorgungswege entsorgt werden. Dies ist in der Regel nach zehn Halbwertszeiten (ca. zwei Monate) der Fall.

Die während des stationären Aufenthalts entstehenden Abwasser müssen in Abklingtanks gesammelt werden und dürfen erst nach Unterschreitung des Grenzwertes aus Spalte 3 Tab. 6 Anlage 11 StrlSchV abgelassen werden. Unterschreiten die Abwasser ein Volumen von 100.000 m³ pro Jahr, darf der zehnfache Grenzwert angenommen werden (1.000 Bq/l). Da sich neben Lu-177 in der Regel auch I-131 aus der Radioiodtherapie in den Abklingtanks befindet, muss bei der Freigabe die Summenformel nach Anlage 11 StrlSchV berechnet werden.

Handelt es sich bei dem verwendeten Präparat um geträgertes Lu-177, so kommt dem Abfallmanagement aufgrund der Verunreinigung mit dem langlebigen Lu-177m eine gesonderte Bedeutung zu. Für das Vorgehen in diesem Fall verweisen wir auf unseren Artikel zur Lutathera.

Inkorporationsabschätzung

Vor der Einführung eines neuen Verfahrens muss gem. Richtlinie für die physikalische Strahlenschutzkontrolle zur Ermittlung der Körperdosis Teil 2 Ermittlung der Körperdosis bei innerer Strahlenexposition (Inkorporationsüberwachung §§ 40, 41 und 42 StrSchV) vom 12. Januar 2007 eine Inkorporationsabschätzung für das Personal durchgeführt werden. Übersteigt die Personalexposition aufgrund der inkorporierbaren Aktivität die Erfordenisschwelle von 1 mSv, so  ist die Personalexposition durch regelmäßige Inkorporationsmessungen zu überwachen.

Die nachfolgende Inkorporationsabschätzung dient als Beispiel und stellt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Berechnung kann als Basis verwendet, muss aber an die klinikinternen Prozesse angepasst werden.

Da es sich bei Pluvicto um ein Fertigarzneimittel handelt, das aufgrund von einfachen Standardarbeitsvorgängen und dem Charakter des Radiopharmakons nur eine geringe Inkorporationswahrscheinlichkeit beim Aufziehen der Spritzen und der Applikation erwarten lässt, wird für die Handhabung von Pluvicto ein Inkorporationsfaktor von 10-7 angesetzt.

Einzig bei der Freimessung und Entsorgung ist ein Kontakt mit dem Arzneimittel außerhalb der Injektionsflasche möglich. Durch das Befolgen von Schutzmaßnahmen wird das Inkorporationsrisiko hier dennoch als gering eingestuft. Der entsprechende Inkorporationsfaktor beträgt 10-5. Die Handhabungsaktivität bei der Abfallbeseitigung beträgt erwartungsgemäß < 10% der Applikationsaktivität (entsprechend 740 MBq).

Das Erfordernis der Inkorporationsüberwachung wird für Radionuklide i durch die Berechnung von

E = \sum \limits_{i}^{} A_i \cdot e_i

abgeschätzt. Darin ist Ai die maximal inkorporierbare Aktivität in Bq und ei der Dosiskoeffizient. Dieser beträgt für die Inhalation von Lu-177 gemäß Anhang 3.1 der Richtlinie 1,0∙10-9 Sv/Bq.

Die maximal inkorporierbare Aktivität wird im Folgenden nach

E = \sum \limits_{k=1}^{n} a_k \cdot \overline{A}_k \cdot N_k

berechnet. Hierin ist ak der Anteil der Arbeitsplatzaktivität, der während des k-ten Prozesses inkorporiert werden kann,  der Mittelwert der gehandhabten Aktivität für d. k-ten Prozess und Nk die Anzahl der geplanten Arbeitstage im Kalenderjahr.

Im Folgenden wird die Berechnung für 50 Applikationen pro Jahr demonstriert.

Arbeitsprozess Anlieferung

Bei der Anlieferung beträgt die Handhabungsaktivität 7.400 MBq. Aufgrund der Verwendung einer Absaugung, dem Tragen von Schutzkleidung und dem Vorliegen eines Fertigarzneimittels wird ein Inkorporationsfaktor von 10-7 angesetzt. Die inkorporierbare Aktivität ergibt sich dann zu:

k_1 = a_1 \cdot A_1 \cdot N_1 = 10^{-7} \cdot 7,4 \cdot 10^{9} \text{Bq} \cdot 50 =37.000\,\text{Bq}

Arbeitsprozess Applikation

Bei der Applikation beträgt die Handhabungsaktivität ≤ 7.400 MBq. Aufgrund der Verwendung von Abdeckungen, dem Tragen von Schutzkleidung und dem Vorliegen eines Fertigarzneimittels wird ein Inkorporationsfaktor von 10-7 angesetzt. Die inkorporierbare Aktivität ergibt sich dann zu:

k_2 = a_2 \cdot A_2 \cdot N_2 = 10^{-7} \cdot 7,4 \cdot 10^{9} \text{Bq} \cdot 50 =37.000\,\text{Bq}

Arbeitsprozess Entsorgung

Bei der Entsorgung beträgt die Handhabungsaktivität erwartungsgemäß weniger als 10 % der Applikationsaktivität  (≤ 740 MBq). Aufgrund der Verwendung von Abdeckungen, dem Tragen von Schutzkleidung und der luftundurchlässigen Verschließung des Abfalls wird das Inkorporationsrisiko als niedrig eingestuft. Dementsprechend wird ein Inkorporationsfaktor von 10-5 angesetzt. Die inkorporierbare Aktivität ergibt sich dann zu:

k_3 = a_3 \cdot A_3 \cdot N_3 = 10^{-5} \cdot 740 \cdot 10^{6} \text{Bq} \cdot 50 =370.000\,\text{Bq}

Ergebnis und Bewertung

Die maximal inkorporierbare Aktivität pro Jahr ergibt sich zu:

E = \sum \limits_{i=1}^{3} k_i = 444.000\,\text{Bq}

Absorptionsklasse: M -> e(50) = 1,0∙10-9 Sv/Bq.

Folglich ergibt sich eine Inkorporationsdosis von:

E = \sum \limits_{i}^{} A_i \cdot e_i = 444.000\,\text{Bq} \cdot 1,0 \cdot 10^{-9}\, \frac{\text{Sv}}{\text{Bq}} = 0,45\,\text{mSv}

Durch die im Kalenderjahr mögliche inkorporierbare Aktivität liegt unterhalb der Erfordernisschwelle von 1 mSv. Da sich die Prozesse auf mehrere Personen verteilen, die maximale Anzahl an Therapietagen voraussichtlich nicht ausgeschöpft wird und die Handhabungsaktivität bei der Entsorgung eher überschätzt wurde, ist davon auszugehen, dass der tatsächliche Wert deutlich geringer ausfällt.

Allerdings müssen zur Bewertung des Inkorporationserfordernisses auch Beiträge aus anderen Therapien berücksichtigt werden.

In jedem Fall ist es sinnvoll Untersuchungen zur Aktivität in der Raumluft bei den einzelnen Arbeitsschritten durchzuführen und die Abschätzung in der Folge neu zu bewerten.

arbeitsschritte pluvicto inkorporationsabschätzung
Bei der Inkorporationsabschätzung berücksichtigte Teilprozesse

Zusammenfassung der Strahlenschutzmaßnahmen

Reduktion der Organdosisbelastung (Patient)

  • Prämedikation mit Antiemetika, um Übelkeit und Erbrechen vorzubeugen.
  • Abdeckung des Patientenarms mit einem Lochtuch, um Hautkontaminationen durch Leckagen zu vermeiden.
  • Kühlung der Parotiden mit Kühlpacks während und bis zu vier Stunden nach der Applikation zur Vermeidung einer Parotitis.
  • Viel Trinken (mind. 1 Glas pro Stunde) vor und nach der Applikation, um die renale Eliminierung von nicht anreicherndem Lu-177 zu erleichtern.
  • Möglichst häufige Darmentleerungen (nötigenfalls Laxativa verwenden).
  • Überprüfung des Zugangs durch Aspiration und Gabe von NaCl zur Vermeidung eines Paravasates.
  • Messung der Ortsdosisleistung über dem Brustkorb des Patienten wenige Minuten nach Therapiestart:
    • Anstieg -> Lu-177 im Blutstrom vorhanden -> Alles ok
    • Kein Anstieg -> mögliches Paravasat -> Applikationunterbrechen.

Externe Exposition (Personal)

  • Verwendung der Durchstechflasche ausschließlich in der von Novartis mitgelieferten Abschirmung.
  • Zwischenlagerung der Lieferaktivität im Tresor des Heißraums auf der Nuklidstation.
  • 2-Komponenten Spritzenabschirmung (Acrylglas + Wolfram) beim Abziehen von Aktivität aus der Durchstechflasche.
  • Mobile Bleischutzwand während des Aufenthalts im Patientenzimmer
  • Vial-Zangen und Langpinzetten zum Hantieren mit der Pluvicto-Durchstechflasche
  • Kameraüberwachung der Zimmer während der Infusion zur Reduktion der Strahlenbelastung des Personals.
  • Plexiglasabschirmung für die 600ml Kanülenbox während der Applikation.
  • Kabelloses Monitoring der Vitalfunktion durch Verwendung entsprechender Geräte mit Anbindung an die IT-Infrastruktur

Kontaminationen/Inkorporationen (Personal)

  • Das Essen, Trinken und Rauchen im Kontrollbereich ist untersagt.
  • Tragen von Schutzkleidung (2Fach-Nytril-Handschuhe, Mundschutz, Überschuhe) bei Betreten des Patientenzimmers und Hantieren der Aktivität.
  • Abdeckung der Arbeits- und Bodenflächen mit saugfähigem Gewebepapier während der Applikation.
  • Kontaminationskontrollen der Arbeitsflächen vor und nach der Therapie.
  • Personenkontaminationskontrolle bei Verlassen des Patientenzimmers.
  • Vermeidung von Flüssigkeitsaustritten bei der Schwerkraftmethode:
    • Regelmäßige Kontrolle aller Schlauchverbindungen auf Leckagen
    • Verwendung von atraumatischen Nadeln beim Anstechen der Vials, um eine Überlaufen zu vermeiden
  • Bereitstellen von Spucktüten für den Fall auftretender Übelkeit.

Minimierung der Exposition für die Bevölkerung

  • Stationäre Durchführung der Therapie:
    • Messung der effektiven Halbwertszeit (berücksichtigt erst Messungen ab 24 h)
    • Entlassung erst nach absehbarer Unterschreitung einer Jahresdosis von 1 mSv in 2 m Abstand.
  • Sammlung der radioaktiven Ausscheidungen in einer Abklinganlage:
    • Patienten dürfen ausschließlich die Toiletten der Nuklidstation verwenden
    • Einleitung in die Kanalisation erst nachdem die Summenformel nach Anlage 11 StrlSchV den Wert 1 unterschreitet.
  • Betreten der Station nur nach vorheriger Unterweisung durch den SSB gestattet.
  • Aushändigen eines Merkblattes zu Verhaltensregeln nach Entlassung.

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