Radioiodtherapie – Uptake Messplatz

Vor und während der Radioiodtherapie (RIT) erfolgen zu mehreren Zeitpunkten Messungen am Patienten, um das von der Schilddrüse (SD) aufgenommene Radioiod (Radioiod-Uptake [RIU]) und den individuellen Stoffwechsel des Patienten ermitteln zu können. Mithilfe der Ergebnisse kann vor Durchführung der Therapie die benötigte Applikationsaktivität und während der Therapie die tatsächlich applizierte Organdosis ermittelt werden.

Zur Bestimmung des RIU werden in der Regel Natrium-Iodid (NaI)-Detektoren in Form sogenannter Uptake-Messplätze eingesetzt. Ein Sonderfall stellt die Blutdosimetrie zur Abschätzung der Knochenmarkdosis bei Hochrisikopatienten mit differenziertem Schilddrüsenkarzinom dar. Hier erfolgt die Bestimmung des Blut-Uptakes mithilfe sogenannter Bohrlochsonden.

Im Folgenden stellen wir die Messsysteme sowie deren Qualitätssicherung vor. Eine Beschreibung zur Durchführung der Messungen sowie der anschließenden Dosisberechnung findet ihr in den Artikeln zur Radioiodtherapie bei benignen und malignen Erkrankungen.

Inhaltsverzeichnis

Aufbau des Uptake-Messplatzes

Die Messsonde besteht aus einem gegen Störstrahlung abgeschirmten Natrium-Iodid (NaI)-Kristall (⌀ ≥ 5 cm, Länge ≥ 5 cm), der an einen Vielkanalanalysator (MCA = Multi Channel Analyzer) angeschlossen ist. Mithilfe eines Kollimators wird das Messfeld (FOV = Field of View) auf 15 bis 20 cm begrenzt, so dass die Schilddrüse vollständig im Messfeld liegt und gleichzeitig so wenig umgebendes Gewebe wie möglich erfasst wird.

Bei Verifikationsmessungen während der Therapie sind oft Anordnungen üblich, bei denen sich das FOV auf einen größeren Körperbereich erstreckt oder sogar den gesamten Körper abdeckt, bspw. wenn die Messsonde über dem Patientenbett angebracht ist. In solchen Fällen ist es wichtig, eine Korrektur hinsichtlich des Untergrunds, der vom umgebenden Gewebe ausgeht, vorzunehmen (näheres siehe unten).

Der Kollimator und die Abschirmung müssen so dimensioniert sein, dass die Zählrate außerhalb des FOV um mindestens den Faktor 1/200 reduziert wird. Dies wird in der Regel durch die Verwendung von Blei oder Wolfram mit einer Dicke von mindestens 2 cm erreicht. Bei Unsicherheit kann der Abschwächungsfaktor überprüft werden, indem die Zählrate einer Testaktivität außerhalb des FOV in verschiedenen Abständen mit der Zählrate innerhalb des FOV verglichen wird.

uptake messplatz anordnung
Beispielhafte Anordnung bei der Uptake-Messung
uptake messplatz dimensionierung
Aufbau der Uptake-Messsonde
Uptake-Sonde
Beispielabbildung einer Uptake-Messsonde

Durchführung der Messungen

Die Distanz zwischen der Sonde und der Patientenoberfläche sollte mindestens 25 cm betragen, um Ungenauigkeiten aufgrund kleiner Änderungen im Abstand zu minimieren (Abstandsquadratgesetz). Bei einem Abstand von 25 cm beträgt der Fehler ungefähr 1,5 % pro Millimeter. Um eine gleichbleibende Positionierung über mehrere Messungen hinweg sicherzustellen, empfiehlt sich die Verwendung einer Kinnauflage oder eines Abstandhalters mit vernachlässigbaren Streueigenschaften.

Als Energiefenster wird ein Bereich von 2 bis 2,5-facher Halbwertsbreite (FWHM = Full Width at Half Maximum) um den Photopeak bei 364 keV gewählt. Bei einer Energieauflösung von 10 % entspricht dies einem Energiefenster von etwa (319-409) keV.

uptake messplatz energiefenster
Mit einer Uptake-Messsonde aufgenommenes Energiespektrum von I-131

Die Messdauer wird so gewählt, dass die Wiederholgenauigkeit des Messwerts bei < 3 % liegt. Bei Messabständen < 50 cm ist eine Messzeit von einer Minute in der Regel ausreichend. Da Uptake-Messsonden keine visuelle Darstellung der Aktivitätsverteilung ermöglichen, sollte die korrekte Anreicherung im Zielvolumen mittels Szintigraphie oder SPECT zu mindestens einem Messzeitpunkt verifiziert werden (s.u.)

Korrektur des Untergrundes

Neben der Aktivität in der Schilddrüse trägt auch die Restaktivität im Blut sowie im umliegenden Gewebe zum Messwert bei. Wenn das FOV auf die Schilddrüse begrenzt ist und die Sonde ausreichend gut abgeschirmt ist, beträgt der dadurch bedingte Messfehler in der Regel weniger als 1 %. Wenn das Messfeld jedoch deutlich größer ist, wie beispielsweise bei Messsonden, die über den Patientenbetten angebracht werden, sollte eine Untergrundkorrektur vorgenommen werden. Dies kann beispielsweise durch eine zweite Messung erfolgen, bei der die Schilddrüse mithilfe einer Bleiabschirmung abgedeckt wird. Die verwendete Abschirmung sollte das von der Schilddrüse ausgehende Messsignal um mindestens den Faktor 1/50 reduzieren. Der zu verwendende Nettomesswert ergibt sich dann aus der Differenz der Messungen ohne und mit Abschirmung.

uptake messplatz untergrundkorrektur
Abschirmung der Schilddrüse zur Korrektur des Untergrundes bei großen Messfeldern

Kalibrierung (Prüfphantome)

Zur Bestimmung der von der Schilddrüse aufgenommenen Aktivität (SD-Uptake) wird ein Kalibrierfaktor benötigt, der die gemessene Zählrate mit der Aktivität verknüpft (cts/MBq). Zur Ermittlung des Kalibrierfaktors wird die Zählrate über einem Phantom gemessen, das zuvor mit einer bekannten Aktivität befüllt wurde, wobei die üblichen Parameter für Patientenmessungen verwendet werden.

Um eine möglichst hohe Genauigkeit bei der Bestimmung des SD-Uptakes sicherzustellen, ist es wichtig, dass das verwendete Phantom die Absorptions- und Streueigenschaften der realen Messbedingungen am Patienten bestmöglich nachstellt. Derzeit empfehlen die International Atomic Energy Agency (IAEA) und das American National Standards Institute (ANSI) die Verwendung eines PMMA-Zylinderphantoms. Der Durchmesser des Zylinders entspricht dabei in etwa dem eines Halses (ca. 120 bis 130 mm). Zudem weist das Phantom einen Einsatz auf, der die Platzierung einer Testaktivität in Form einer Kapsel oder eines Vials ermöglicht. Die mittlere Tiefe der Testaktivität sollte zwischen 2 und 2,5 cm betragen.

Die Verwendung eines Standardphantoms kann jedoch keine patientenindividuellen Varianzen bzgl. Schilddrüsenvolumen oder Abstand zur Hautoberfläche. In einigen Studien wurden vor Durchführung der Radioiodtherapie die Kalibrierphantome mittels CT-basiertem 3D-Druck hergestellt und die Sonde so patientenindividuell kalibriert. Dabei zeigte sich eine Abhängigkeit des Kalibrierfaktors sowohl vom Schilddrüsenvolumen als auch von Gewebetiefe (bspw. Kühnel et al.).

Ein Nachteil dieses Vorgehens ist der zusätzliche Aufwand, der durch die patientenindividuelle Phantomherstellung entsteht und in Deutschland nicht voll erstattungsfähig ist.

Daher haben wir ein Phantom mittels SLA-Druck (Form 3, Fa. Formlabs) entwickelt, das die Erstellung von Kalibrierkurven in Abhängigkeit vom Schilddrüsenvolumen und von der Position der Schilddrüse relativ zur Hautoberfläche ermöglicht. Das Phantom besteht aus einem hohlen Zylinder (Höhe: 153 mm, Durchmesser: 120 mm) und fünf befüllbaren Schilddrüsenmodellen (8 ml, 16 ml, 27 ml, 40 ml und 77 ml). Die Messtiefe der Schilddrüse kann in 3 mm-Schritten zwischen 5 mm und 41 mm variiert werden.

Mithilfe des Phantoms konnten die nachfolgenden Kalibrierkurven aufgenommen werden:

uptake messplatz tiefenkorrektur
Korrektur in Abhängigkeit von der Schilddrüsentiefe (normiert auf einen Oberflächenabstand von 11,3 mm)
uptake messplatz volumenkorrektur
Korrektur in Abhängigkeit vom Schilddrüsenvolumen (normiert auf ein Schilddrüsenvolumen von 16 ml)

Es zeigt sich, dass eine Abweichung der Schilddrüsentiefe von 10 mm zu einem Fehler von etwa 10 % und eine Abweichung des Schilddrüsenvolumens von 10 ml zu einem Fehler von etwa 3 % führen kann. Angesichts der Tatsache, dass die zu behandelnden Volumina im Extremfall zwischen 3 ml und über 80 ml variieren können, wird deutlich, dass die Verwendung eines unkorrigierten Standardfaktors zu erheblichen Messfehlern führen kann.

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die hier gezeigten Kalibrierkurven nicht ohne Weiteres auf andere Geräte und Messgeometrien übertragen werden dürfen. Sollten Interesse an der Verwendung des hier vorgestellten Phantoms bestehen, bitten um Kontaktaufnahme.

Qualitätssicherung

Die im Rahmen der Qualitätssicherung regelmäßig zu überprüfenden Kennmerkmale der Uptake-Messsonde sind in der DIN 6855-1 geregelt. Die in der nachfolgenden Tabelle angegebenen Reaktionsschwellen (RS) und Toleranzgrenzen (TG) beziehen sich auf das Bewertungssystem der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Wenn die Messwertgrenzen überschritten werden, sollte eine Ursachenforschung betrieben und Maßnahmen zur Korrektur des Messfehlers ergriffen werden. Sollte die Ursache bei Überschreitung der Toleranzgrenze nicht identifiziert und behoben werden können, darf das Gerät bis zur Klärung nicht weiter verwendet werden.

Kennmerkmal Prüfhäufigkeit Bezugswert (BW), Reaktionsschwelle (RS) und Toleranzgrenze (TG) Kurzbeschreibung

Untergrund/Nulleffekt

arbeitstäglich

BW = Mittelwert aus 10 Messungen mit > 100 Impulsen

RS = BW+50 %(BW≤0,3/s)

RS = BW+25 % (BW>0,3/s)

TG = BW+100%

Messung der Untergrundzählrate für jede verwendete Nuklideinstellung über eine in der Praxis übliche Messdauer

Energiefenster

arbeitstäglich

BW = Gammaenergie des Radionuklids (364 kev bei I-131) bzw. Kanallage bei Kalibrierung

RS = BW ± 2,5 %

TG = BW ± 5 %

Überprüfung der Peaklage des Photopeaks sowie der Fensterlage des Vielkanalanalysators für das am häufigsten verwendete Radionuklid (im Regelfall I-131)

Zählausbeute

arbeitstäglich

BW = Messwert mit Gesamtimpulsanzahl > 10.000 Impulsen

RS = BW ± 3 %

TG = BW ± 5 %

Überprüfung der Zählausbeute mit einem langlebigen Radionuklid, das eine Emissionsenergie besitzt (bspw. Ba-133).

Kalibrierfaktor

halbjährlich

BW = Festgelegt mittels Phantommessung durch den MPE

RS = BW ± 5 %

TG = BW ± 10 %

Messung eines Umrechnungsfaktors zwischen gemessenen Ereignissen und applizierter Aktivität unter Verwendung eines geeigneten Schilddrüsenphantoms für alle verwendeten Nuklide

Zählstatistik

halbjährlich

Bei der Durchführung von 10 Messungen sollte ein χ²-Wert zwischen 3,3 und 16,9 erreicht werden

Überprüfung der Zählstatistik mittels Chi-Quadrat-Test. Dazu werden 10 Messungen eines langlebigen Isotops durchgeführt. Messzeit und Aktivität sind so zu wählen, dass eine Impulszahl von ca. 10000 und eine Totzeit kleiner 10% erreicht werden. Der χ²-Wert ergibt sich aus:

\chi^{2}=\frac{\sum \limits_{i=1}^{n}(N_i-\overline{N})^{2}}{\overline{N}}

 

Energieauflösung

halbjährlich

Aufnahme des Energiespektrums zur Ermittlung der Halbwertsbreite für das am meisten verwendete Nuklid (im Regelfall I-131)

Verwendung von Gammakameras

Die Verwendung von Uptake-Messsonden ermöglicht keine visuelle Darstellung der Aktivitätsverteilung. Bei bestimmten Situationen, wie beispielsweise SD-Autonomien, bei denen es zu Anreicherungen im restlichen Schilddrüsengewebe kommt (z. B. bei einer kompensierten SD-Autonomie), oder bei Anreicherungen in umliegenden Lymphknoten, kann der tatsächliche Uptake des Knotens nicht genau ermittelt werden. In diesen Fällen kann die alleinige Verwendung von Uptake-Messsonden zu einer erheblichen Überschätzung der Herddosis führen. Daher empfiehlt sich in solchen Situationen die Durchführung der Uptake-Messung mithilfe einer Gammakamera.

Einkopfkamera
Beispiel für eine dedizierte Schilddrüsenkamera

Durchführung der Messungen

Bei Verwendung einer NaI-Kamera sollte die Kristalldicke mindestens 9,5 mm betragen. Bei der Verwendung handelsüblicher SD-Gammakameras sollte beachtet werden, dass bei der Messung von I-131 ein High-Energy (HE) Kollimator montiert werden muss.

Im Gegensatz zur Uptake-Messsonde sollte bei Verwendung der Gammakamera der Messabstand so gering wie möglich sein, um die räumliche Auflösung zu erhöhen. Die Einstellung des FOV wird so gewählt, dass die Schilddrüse vollständig erfasst wird. Bei der anschließenden Auswertung kann das relevante Messfeld für die Zählrate auf den zu therapierenden Bereich beschränkt werden. Bei wiederholten Messungen sollte stets dasselbe Messfeld verwendet werden, beispielsweise durch Kopieren und Einfügen. Die Verwendung von Isokonturen kann zu Fehlern führen, da sich die relative Aktivitätsverteilung im Zeitverlauf ändern kann und/oder das für die Normierung relevante Maximum durch die Septen verdeckt werden kann.

Sollen oder können nicht alle Messungen an der Gammakamera durchgeführt werden, kann es zweckdienlich sein eine einmalige Aufnahme zwecks Uptake-Bestimmung an der Gammakamera durchzuführen und die restlichen Messungen zwecks Aufnahme des zeitlichen Uptakeverlaufs an der Uptake-Messsonde vorzunehmen. So kann bspw. bei Autonomien mit Anreicherungen im restlichen Schilddrüsengewebe (kompensierte SD-Autonomie) auf der Grundlage der Kameraaufnahme der Uptake-Anteil im Adenom bestimmt und die Messwerte an der Uptake-Messsonde dementsprechend korrigiert werden. Hierbei sollte jedoch berücksichtigt werden, dass sich die Aktivitätsverhältnisse innerhalb der Schilddrüse im weiteren Verlauf ändern können.

Unifokale Autonimie Berechnung
Berechnung des Uptakes im Adnom relativ zur restlichen Schilddrüse

Bei der Kalibrierung der Kamera ist zu beachten, dass die Projektionsfläche der Testaktivität mindestens 10 cm² überstrahlen sollte. Andernfalls kann es bei ungünstiger Lage der Kollimatorsepten zu einer Unterschätzung der Aktivität kommen. Das weitere Vorgehen bei der Kalibrierung entspricht dem zuvor beschriebenen Verfahren zur Kalibrierung der Uptake-Messsonde.

Fehlerquellen

  • Unzureichende Kollimator- bzw. Detektorabschirmung
  • Keine oder fehlerhaft durchgeführte Qualitätssicherung
  • Keine gleichbleibende Patientenpositionierung
  • Fehlerhafte Kalibrierung durch…
    • …die Verwendung eines nicht repräsentativen Phantoms
    • …eine unentdeckte Kontamination des Phantoms
    •  …eine nicht korrekte Aktivimeteranzeige
  • Keine Korrektur des Untergrundes bei der Verwendung großer Messfelder
  • Falsche Zuordnung des Uptakes bei fehlender Bildgebung (Uptake-Messsonde)
  • Verwendung eines nicht geeigneten Kollimators (Gammakamera)
  • Verwendung von Isokonturen bei mehreren Messungen (Gammakamera)
  • U.v.m.

Literaturquellen

FAQ

Die Messung der von der Schilddrüse aufgenommenen Aktivität (Uptake) erfolgt mithilfe sog. Uptake-Messplätze, die aus einem Natrium-Iodid (NaI) Kristall und einem Vielkanalanalysator bestehen. Alternativ kann der Uptake auch mithilfe einer Gammakamera bestimmt werden.

eine Reihe an Medizinprodukte-Herstellern verteiben auch Uptake-Messplätze. Eine Übersicht mit Ansprechpartnern findet ihr in unserem Marktplatz.

Je mehr Datenpunkte aufgezeichnet werden desto genauer ist die daraus resultierende Berechnung. Üblich sind ≥ drei Messungen. Mindestens muss die Messung jedoch einmal erfolgen.

Alle Anbieter für Schilddrüsenphantome findet ihr in unserem Marktplatz. Falls ihr Zugriff auf einen 3D-Drucker habt, könnt ihr auch unser CAD-Modell verwendet. Schreibt uns dazu einfach eine kurze Nachricht über unser Kontaktformular.

Radioiodtherapie

Die Radiojodtherapie ist ein Therapieverfahren in der Nuklearmedizin zur Behandlung von Erkrankungen der Schilddrüse, insbesondere bei krankhafter Schilddrüsenüberaktivität und Schilddrüsenkrebs. Zur Behandlung wird dem Patienten

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