Radioiodtherapie

Inhaltsverzeichnis

Die orale Applikation von Iod-131 (I-131) NaI bei gutartigen Schilddrüsenerkrankungen (Hyperthyreose) wird bereits seit 1941 durchgeführt. Damit ist die Radioiodtherapie  die am besten erforschte und auch die am häufigsten durchgeführte Therapieform in der Nuklearmedizin. Das applizierte I-131 reichert in stoffwechselaktivem Schilddrüsengewebe (Thyreozyten) und induziert eine Schwächung bzw. Zerstörung des Gewebes. I-131 zerfällt mit einer Halbwertszeit von acht Tagen über β- Zerfall zu Xenon-131. Die dabei auftretenden β-Energien von maximal 607 keV gewährleisten eine sehr lokale Energiedeposition. Der sich anschließende isomere Übergang mit einer Gammaenergie von 364 keV ermöglicht zudem eine Bildgebung unter Therapie sowie eine prätherapeutische Dosimetrie.

Zerfallsschema Iod-131
Zerfallsschema des bei der Radioiodtherapie eingesetztem Iod-131

Zu den Hauptursachen der Schilddrüsenüberfunktion, die eine klare Indikation für eine Radioiodtherapie (RIT) darstellen, gehören die Autoimmunüberfunktion (Morbus Basedow), der solitäre hyperfunktionelle Schilddrüsenknoten (autonomes Adenom) und der multimodulare Kropf.

Das Ziel der Radiojodtherapie bei Morbus Basedow, autonomen Adenomen und toxischem multimodularem Kropf ist es, dass die Patienten eine nicht-Hyperthyreoidea-Erkrankung erreichen. Das bedeutet, dass die Patienten euthyreot oder hypothyreot werden können. Letzteres kann anschließend durch die Substitution von Schilddrüsenhormonen (L-Thyroxin) kompensiert werden. Im Falle eines ungiftigen mehrgliedrigen Kropfs ist das Hauptziel die Verringerung des Schilddrüsenvolumens. Das Ziel der Radiojodtherapie – Beseitigung der Schilddrüsenüberfunktion und Schilddrüsenvolumenverkleinerung – wird bei 80% der Patienten erreicht, unabhängig von der Art der Verabreichung. Bei der Gabe von berechneten Aktivitäten verglichen mit Standardaktivitäten sind die Erfolgsraten der Radiojodbehandlung höher (3-5).

Neben den benignen Erkrankungen stellt auch das differenzierte Schilddrüsenkarzinom eine Indikation für die Radioiodtherapie dar. Dabei werden im
Anschluss an die operative Entfernung der Schilddrüse (Thyreoidektomie) verbliebenes Schilddrüsenrestgewebe sowie Fernmetastasen durch die Gabe von I-131 NaI abladiert.

Geräte

Vor Therapie (im Rahmen eines Radioiodtests) und während der Therapie wird die Aufnahme des I-131 NaI in der Schilddrüse mithilfe sog. Uptake-Messungen überprüft. Die Uptake-Messungen können an einem sogenannten Uptake-Messplatz bestehend aus einer Messsonde mit NaI-Kristall (ca. 5cm im Durchmesser und 5cm lang) oder an einer planaren Einkopf-Gammakamera durchgeführt werden.

Uptake-Sonde
Uptake-Messonde bestehend aus einem NaI-Kristall und Vielkanalanalysator.
Einkopfkamera
SCINTRON (Fa. MiE) Einkopf-Gammakamera, die auch zur Uptake-Messungen bei der RIT verwendet werden kann.
Bei der Verwendung eines NaI-Kristalls sollte dieser an einen Vielkanalanalysator angeschlossen sein, um die Darstellung des Energiespektrums zu ermöglichen. Zudem muss die Messsonde ausreichend abgeschirmt und mit einem Kollimator versehen sein, dessen Gesichtsfeld die gesamte Schilddrüse erfasst. Zwischen Kristalloberfläche und Halskontur muss ein gleichbleibender Abstand eingehalten werden, mindestens aber 25cm. Mögliche Messfehler können durch eine ungenaue Patientenpositionierung oder aber auch durch Abzug eines nicht repräsentativen Untergrunds auftreten.

Die Verwendung einer Einkopf-Gammakamera bietet den Vorteil neben der Quantifizierung auch das Verteilungsmuster in der Schilddrüse darzustellen. Dies kann bei gegebener medizinischer Begründung, wie bspw. Fokalen Autonomien, gemäß RL StrlSch erforderlich sein. Hier kann die Bestimmung des Uptakes durch die Definition geeigneter „Region of Interests“ (ROI) auf ausgewählte Bereiche beschränkt und so bspw. zwischen Autonomie und restlicher Schilddrüse separiert werden. Dabei können neben dem Abzug eines nicht repräsentativen Untergrunds auch eine fehlende Absorptions- und Streukorrektur zu Messfehlern führen.

Unabhängig vom Verwendeten Messgerät muss im Vorfeld der Messung die Bestimmung eines sog. Aktivitätsfaktors (andere Bezeichnungen sind „Geometriefaktor“ oder „Bohrlochfaktor“) erfolgen, der eine Umrechnung von gemessenen Ereignissen in vorhandene Aktivität in der Schilddrüse ermöglicht. Dazu ist ein geeignetes Schilddrüsenphantom zu verwenden. Kommt dabei ein nicht repräsentatives Phantom zum Einsatz, verfälscht dies in der Folge alle Patientenmessungen und führt schlimmstenfalls zu einer fehlerhaft berechneten Applikationsaktivität. Bei der Durchführung des Radioiodtests (s.u.) kann es auch ausreichend sein den zeitlichen Verlauf des Uptakes über Relativmessungen zu ermitteln. Dazu wird die zu applizierende Aktivität vor Applikation vor der Sonde bzw. Gammakamera frei in Luft gemessen. In diesem Fall wird lediglich ein Umrechnungsfaktor zwischen der Freiluft- und der Phantommessung benötigt.

Qualitätssicherung

Die im Rahmen der Qualitätssicherung zu regelmäßig überprüfenden Kennmerkmale sind in der RL StrlSch und der DIN 6855-1 sowie 6855-2 geregelt. Die in den Tabellen angegebenen Toleranzgrenzen (TG) und Reaktionsschwellen (RS) beziehen sich auf das Bewertungssystem der Ärztekammer Westfalen-Lippe (Stand 2018).

Bei der Verwendung eines Sondenmessplatzes sind folgende Merkmale zu prüfen (vgl. DIN 6855-1):

 

Kennmerkmal

 

Häufigkeit

Bezugswert (BW), Toleranzgrenze (TG), Reaktionsschwelle (RS

 

Kurzbeschreibung

 

Untergrundzählrate

 

arbeitstäglich

BW = Mittelwert aus mind. 10 Messungen mit >100 Impulsen

RS = BW ± 20%

TG = BW ± 50%

Messung der Untergrundzählrate für jede verwendete Nuklideinstellung über eine in der Praxis übliche Messdauer

 

Energiefenster

 

arbeitstäglich

BW = Gammaenergie des verwendeten Radionuklids (364kev bei I-131) bzw. Kanallage

RS = BW ± 2,5%

TG = BW ± 5%

Überprüfung der Peaklage des Photopeaks sowie der Fensterlage des Vielkanalanalysators für das am häufigsten verwendete Radionuklid (im Regelfall I-131)

 

Ausbeute

 

arbeitstäglich

BW = Mittelwert aus mind. 10 Messungen mit >10000 Impulsen

RS = BW ± 3%

TG = BW ± 5%

Überprüfung der Zählausbeute mit einem langlebigen Radionuklid, das eine geeignete Halbwertszeit besitzt

 

 

Aktivitätsfaktor

 

 

halbjährlich

 

BW = Festgelegt durch erstmalige Phantommessung durch den MPE

RS = BW ± 7,5%

TG = BW ± 15%

Messung eines Umrechnungsfaktors zwischen gemessenen Ereignissen und applizierter Aktivität unter Verwendung eines geeigneten Schilddrüsenphantoms für alle verwendeten Nuklide

 

Energieauflösung

 

halbjährlich

Aufnahme des Energiespektrums zur Ermittlung der Halbwertsbreite für das am meisten verwendete Nuklid (im Regelfall I-131)

 

 

 

Zählstatistik

 

 

 

halbjährlich

 

 

Bei der Durchführung von 10 Messungen sollte ein χ²-Wert zwischen 3,3 und 16,9 erreicht werden

Überprüfung der Zählstatistik mittels Chi-Quadrat-Test. Dazu werden 10 Messungen eines langlebigen Isotops durchgeführt. Messzeit und Aktivität sind so zu wählen, dass eine Impulszahl von ca. 10000 und eine Totzeit kleiner 10% erreicht werden

Bei der Verwendung einer Einkopf-Gammakamera sind gemäß DIN 6855-2 folgende Kennmerkmale zu prüfen:

 

Kennmerkmal

 

Häufigkeit

Bezugswert (BW), Toleranzgrenze (TG), Reaktionsschwelle (RS

 

Kurzbeschreibung

 

 

Untergrundzählrate

 

 

arbeitstäglich

BW = Mittelwert aus mind. 10 Messungen mit >500 Impulsen

RS = BW ± 20%

TG = BW ± 50%

Messung der Untergrundzählrate für jdie am häufigsten verwendete im niederenergetischen Nereich mit konstanter Messgeometrie

 

 

Energiefenster

 

arbeitstäglich und bei jedem Wechsel der Nuklideinstellung

BW = Gammaenergie des verwendeten Radionuklids (364kev bei I-131)

RS = BW ± 2%

TG = BW ± 4%

Visuelle Prüfung der Darstellung des Energiespektrums. Dokumentation der Photopeaklage

 

 

 

Ausbeute

 

 

 

monatlich

 

 

BW = Aus Abnahmeprüfung

RS = BW ± 5%

TG = BW ± 10%

Überprüfung der Zählausbeute mit einem geeigneten Strahler bekannter Aktivität bei gleichbleibender Messgeometrie. Die Ausbeute ist der Quotient aus Impulsrate und Aktivität

 

 

Inhomogenität

 

 

wöchentlich

 

 

RS = ± 6%

TG = ± 8%

Inhärente Inhomogenität ohne Kollimator durch Aufnahme einer unkollimierten Punktquelle, die sich im Abstand von mindestens dem Fünffachen der Sichtfelddiagonalen befindet. Vergleich mit Referenzbild

 

 

 

 

Auflösung/Linearität

 

 

 

 

halbjährlich

 

 

BW = Bilddokumentation aus Abnahmeprüfung

TG = 4mm ohne bzw. 6mm mit Kollimator oder klinisch relevante Beeinflussung

Durchführbar mithilfe eines Streifenp- oder eines Orthogonal-Lochphantoms, die auf dem Messkopf ohne Kollimator zentriert aufgelegt werden und das gesamte Sichtfeld überdecken. Eingestrahlt wird mit einer Punktquelle, die wie bei der Überprufung der Inhomogenität angeordnet ist.

 

 

 

Abbildungsmaßstab

 

 

 

halbjährlich

 

 

 

BW = Abnahmeprüfung

TG = BW ± 5%

Aufnahme von jeweils zwei in x- und y-Richtung angeordneten Punktquellen, wobei der Abstand mindestens 10cm betragen muss. Durchführung für jeden Zoom und jedes Energiefenster.

Alternativ Verwendung des Bleistreifen- oder Orthogonal-Lochphantoms.

 

 

 

 

 

Aktivitätsfaktor/Geometriefaktor

 

 

 

 

 

halbjährlich

 

 

 

BW = Festgelegt durch erstmalige Phantommessung durch den MPE

RS = BW ± 7,5%

TG = BW ± 15%

Messung eines Umrechnungsfaktors zwischen gemessenen Ereignissen und applizierter Aktivität unter Verwendung eines geeigneten Schilddrüsenphantoms für alle verwendeten Nuklide. Bei relativen Messungen durch Vormessung der Applikationsaktivität in Luft, muss nur ein Geometriefaktor zwischen Freiluft- und Phantommessung bestimmt werden.

 

 

Dokumentationseinrichtungen

 

 

halbjährlich

 

 

Vergleich mit Referenzbildern

Überprüfung der Dokumentationseinrichtung hinsichtlich Verzeichnungsfreiheit und Einstellung der Grau- und Farbskala mithilfe von Testbildern

Ablauf der Radioiodtherapie bei benignen SD-Erkrankungen

Radioiodtest

Hintergrund

In Deutschland ist die individuelle Aktivitätsabschätzung vor der Radioiodtherapie rechtlich vorgeschrieben (vgl. RL StrlSch 2014), was dem breiteren Indikationsspektrum zur RIT (Schilddrüsenautonomie, Immunhyperthyreose, großvolumige Struma, Rezidivstruma, diff. Schilddrüsenkarzinoma) Rechnung trägt. Die verschiedenen Berechnungsalgotithmen sollen nicht zu überlegenen Behandlungsergebnissen führen, sondern vielmehr dem Aspekt der Optimierung, Dokumentation der Strahlenexposition im Zielorgan und der umliegenden Organen dienen. Diese Aspekte werden in 2013/59/Euratom Artikel 56 für alle radiothereupeutische Anwendungen explizit gefordert, unter die gemäß Definition 81 auch Therapien in der Nuklearmedizin fallen. Zur individuellen Berechnung der nötigen Applikationsaktivität bei der RIT ist Kenntnis über die Radioiodkinetik (zeitlicher Verlauf des Radioiod-Uptakes) nötig, die abhängig von Erkrankung und Patient individuell variieren kann. Die Radioiodkinetik kann durch Messen des Radioiod-Uptakes zu unterschiedlichen Zeitpunkten prätherapeutisch im Rahmen eines sog. Radioiodtests (auch Stoffwechselstudium genannt) ermittelt werden.

Patientenvorbereitung

Der Radioiodtest ist zeitnah vor der eigentlichen Radioiodtherapie durchzuführen, um eine vergleichbare Radioiodkinetik im Test und der Therapie zu gewährleisten. Ebenso sind die Radioiodkinetik beeinflussende Faktoren zu minimieren bzw. unter Therapie und Test gleich zu halten:
  1. Eine Schilddrüsenhormon-Medikation und eine thyreostatische Medikation beeinflussen den Radioiod-Uptake. Das Absetzen zwei bis drei Tage vor dem Radioiodtest (sowie zwei bis drei Tage vor der RIT) bewirkt eine Erhöhung des Iod-Uptakes und der effektiven Halbwertszeit.
  2. Stark iodhaltige Medikamente, Speisen und Nahrungsergänzungsmittel sollten vier Wochen vor dem Radioiodtest und der RIT vermieden werden, da diese den Radioiod-Uptake herabsetzen können. Nach der Applikation von lipophilen Röntgenkontrastmitteln und Amiodaron sind noch wesentlich längere Zeitintervalle bis zur Durchführung des Radioiodtests einzuhalten. Hier empfiehlt es sich gegebenenfalls die Iodurie vor der Durchführung des Tests bzw. der Therapie zu messen.
  3. Die Patienten sollten vier Stunden vor bzw. eine Stunde nach oraler Applikation nüchtern bleiben, da reichliche Mahlzeiten die Resorption des Radioiods vermindern oder verzögern können.
  4. In den ersten 24 Stunden nach Applikation sollte der Patient genügend Flüssigkeit zu sich nehmen, um die Strahlenexposition der Harnblase zu reduzieren. Dies gilt insbesondere auch für die RIT. Das Ausmaß der Hydration sollte nach Möglichkeit zwischen Radioiodtest und RIT vergleichbar sein.

Verwendete Radiopharmaka und Strahlenexposition

Bei der Durchführung des Radioiodtests wird entsprechend zur RIT in der Regel I-131 NaI in Kapselform oder als Trunk appliziert. Die Referenzaktivität beträgt 3 MBq (BFS, 2003). In Form eines so genannten Kurztests ist auch die Gabe von 10 MBq I-123 NaI möglich. Die dabei verursachte Strahlenexposition der Schilddrüse hängt stark von der individuellen Kinetik ab. Für eine Normalperson ohne nachfolgende Therapie läge für I-131 bei 500 mGy/MBq bzw. für I-123 bei 4,5 mGy/MBq. Da es sich beim Radioiodtest jedoch nicht um eine isolierte diagnostische Maßnahme handelt und die Schilddrüse im Anschluss durch Applikation einer vielfach höheren Aktivität behandelt wird, trägt die dabei verursachte Schilddrüsendosis nicht zum stochastischen Strahlenrisiko bei. Die Strahlenexposition der Schilddrüse während des Radioiodtests ist als integraler Bestandteil der RIT zu betrachten.

Durchführung der Messungen

Vor Applikation wird die zu applizierende Aktivität im Aktivimeter gemessen. Optional kann anschließend eine weitere Messung vor der zu verwendenden Sonde bzw. der Gammakamera frei in Luft erfolgen falls die Berechnung des Uptakes relativ über die gemessenen Ereignisse ermittelt wird. Erfolgt dies über die Umrechnung der gemessenen Ereignisse in die von der Schilddrüse aufgenommene Aktivität, ist eine zusätzliche Freiluftmessung nicht erforderlich. Anschließend wird die Aktivität oral in Form einer Kapsel oder eines Trunks appliziert und der Uptake an bis zu drei Zeitpunkten gemessen. Wie oben bereits erwähnt, gibt es für die Ermittlung des Uptakes zwei Möglichkeiten:

  1. Umrechnung der gemessenen Nettozählrate über der Schilddrüse in eine Aktivität und Vergleich mit der Aktivimetermessung.
  2. Vergleich der Nettozählraten über der Schilddrüse und der applizierten Aktivität frei in Luft unter Anwendung des Korrekturfaktors zwischen Messung im Phantom und frei Luft.

Unabhängig von der gewählten Messart sollte vor Durchführung der Messung eine repräsentative Korrektur des Untergrundes außerhalb des Zielorgans (bspw. An Unterarm oder Unterschenkel) erfolgen.

Auswertung

Der Radioiod-Uptake RIU(t) ist der Anteil der applizierten Aktivität A_{\text{appl.}} ,der sich zu einem Zeitpunkt nach Applikation in der Schilddrüse befindet:

RIU(t)=\frac{A_{\text{SD}}}{A_{\text{appl.}}}=\frac{Nettozählrate_{\text{SD}}}{Nettozählrate_{\text{Phantom}}}

Bei Vormessung der Aktivität mit Sonde oder Gammakamera frei in Luft kann auch das Verhältnis der beiden Nettozählraten gebildet werden, wobei zuvor eine Korrektur zwischen Messung frei in Luft und Phantom erfolgen muss. Die Nettozählraten ergeben sich nach Subtraktion der zugehörigen Untergrundzählraten. Die zu applizierende Aktivität zum Erreichen einer Dosis D in Gray in einem Zielvolumen der Masse M in Gramm ergibt sich aus:

A=\frac{F}{\ln 2} \cdot \frac{M \cdot D}{\int_{0}^{\infty} RIU(t) dt}

Die Masse der Schilddrüse respektive des zu therapierenden Knotens wird sonographisch ermittelt. Der dabei gemachte Fehler liegt in der Größenordnung von 25%, sodass die Aktivitätsberechnung nicht genauer sein kann. Der Faktor F beschreibt die mittlere im Zielvolumen deponierte Energie pro Zerfall des I-131 und beträgt:

F = 0,247 \, \text{MBq} \cdot \text{d} \cdot \text{g}^{-1} \cdot \text{Gy}^{-1}

Der Faktor entspringt Monte-Carlo-Simulationen für eine Schilddrüse mit einer Masse von 20g und kann für davon Abweichende Zielvolumina variieren. So ist die deponierte Energie pro Zerfall bei größeren Volumina etwas höher (ca. 5% mehr bei 90ml) und bei kleineren Volumina etwas niedriger (ca. 5% weniger bei 2ml).

Für die Bestimmung des zeitlichen Verlaufs des Radioiod-Uptakes RIU(t) gibt es abhängig von der Anzahl der durchgeführten Messungen unterschiedliche Ansätze:

1. Mindestens drei Uptake-Messungen (4-5 Stunden, 1-2 Tage und 5-8 Tage p.A.)
Hier kann der zeitliche Verlauf des Radioiod-Uptakes über das sog. Zwei-Kompartment-Modell beschrieben werden, das zum einen den Restkörper und zum anderen die Schilddrüse berücksichtigt. RIU(t) ergibt sich dabei aus der Summe zweier e-Funktionen, wobei der eine Summand die Aufnahme in und der zweite Summand die Abgabe des Radioiods aus der Schilddrüse beschreibt:

RIU(t)=\frac{k_{\text{t}}}{k_{\text{B}}\cdot k_{\text{T}}} \cdot ( e^{-k_{\text{T}} \cdot t} – e^{-k_{\text{B}} \cdot t})

Durch Integration von RIU(t) von Null bis unendlich ergibt sich die zu applizierende Aktivität in Abhängigkeit von den Fit-Parametern kt, kB und kT aus:

A=\frac{F}{\ln 2} \cdot \frac{M \cdot D \cdot k_{\text{B}} \cdot k_{\text{T}}}{k_{\text{t}}}

2. Zwei Uptake-Messungen (1-2 Tage und 5-8 Tage p.A.)

Im Falle von zwei Uptake-Messungen wird RIU(t) durch einen einfachen exponentiellen Abfall der Form

RIU(t)=RIU_0 \cdot e^{-\ln 2 / T_{\text{eff.}} \cdot t}

genähert. Für diese Näherung ist es wichtig, dass sich der Zeitpunkt t_1 nach Erreichen des maximalen Uptakes befindet, da es sonst zu ungewöhnlich langen effektiven Halbwertszeiten und somit fehlerhaften Ergebnissen kommen kann (siehe unten aufgeführtes Beispiel). Die Berechnung der effektiven Halbwertszeit erfolgt über:

T_{\text{eff.}} = \frac{\ln 2 \cdot (t_2 – t_1)}{\ln RIU(t_1) – \ln RIU(t_2)}

Liegt diese aus erwähntem Grund über der physikalischen Halbwertszeit von 8 Tagen, ist Teff = 8d zu setzen.

Durch Integration von RIU(t) von Null bis unendlich ergibt sich die zu applizierende Aktivität in Abhängigkeit von t_2 in Tagen:

A = F \cdot \frac{M \cdot D}{T_{\text{eff.}} \cdot RIU(t_2) \cdot 2^{t_2 / T_{\text{eff.}} }} \, \, \, \, \, \, \, \text{mit} \, \,\,\,\,\,\, RIU(t_2) \cdot 2^{t_2 / T_{\text{eff.}}} = RIU_0

Da hier der exponentielle Verlauf bis zum Zeitpunkt t_0 extrapoliert wird und so die Anreicherungsphase in der Schilddrüse unberücksichtigt bleibt, wird die zu applizierende Aktivität tendenziell unterschätzt. In der nicht mehr aktuellen Version 3 der DGN Handlungsempfehlung zum Radioiodtest (2007) wird eine alternative Berechnungsvorschrift der Durchführung von zwei Uptake-Messungen beschrieben:

A = F \cdot \frac{M \cdot D}{RIU_{\text{max}} \cdot (T_{\text{eff.}} +t_1 \cdot \frac{\ln 2}{2})}

Der erste Summand im Nenner ergibt sich durch Integration der oben angegebenen einfachen Exponentialfunktion von t_1 bis unendlich. Dabei ist t_1 so zu wählen, dass RIU(t_1) = RIU_{\text{max}} gilt (in etwa bei t_1 = 24 Stunden). Der zweite Summand im Nenner berücksichtigt die Anreicherungsphase des Radioiods in der Schilddrüse in der Phase von t_0 bis t_1 .

3. Eine späte Uptake-Messung (5-8 Tage p.A.)

Falls nur eine Uptake-Messung durchgeführt werden kann, wird der Zeitpunkt t_1 mit der effektiven Halbwertszeit gleichgesetzt sodass sich für den Verlauf des Radioiod-Uptakes

RIU(t) = RIU_0 \cdot e^{- \ln 2 /t_1 \cdot t}

ergibt. Durch Integration von RIU(t) von Null bis unendlich ergibt sich die zu applizierende Aktivität in Abhängigkeit von t_1 in Tagen:

A = F \cdot \frac{M \cdot D}{2 \cdot RIU(t_1) \cdot t_1} \,\,\,\,\,\,\, \text{mit} \,\,\,\,\,\,\, 2\cdot RIU(t_1) = RIU_0

Dieses Verfahren ist umso genauer, je näher der Messzeitpunkt t_1 mit der tatsächlichen effektiven Halbwertszeit übereinstimmt.

Beispiel
Im folgenden Beispiel wird die zu applizierende Aktivität mit den oben beschriebenen Methoden bei einer unifokalen Autonomie der Masse 16,5g und einer angestrebten Herddosis von 300Gy berechnet.

Drei Uptake-Messungen (1 Tag, 4 Tage und 7 Tage p.A.):
Anwendung des Zwei-Kompartment-Modells ergibt den rechts dargestellten zeitlichen Verlauf des Radioiod-Uptakes. Die zu applizierende Aktivität A berechnet sich zu:

A=\frac{F}{\ln 2} \cdot \frac{M \cdot D \cdot k_{\text{B}} \cdot k_{\text{T}}}{k_{\text{t}}} = 638\,\text{MBq}

Die Anpassung der Messwerte an die oben beschriebene Funktion wurde mit Excel durchgeführt. Ein Musterdokument kann hier heruntergeladen werde. Es wird kein Anspruch auf Funktionalität und Korrektheit der darin durchgeführten Berechnungen erhoben. Die Nutzung erfolgt auf eigene Verantwortung.
Zwei-Kompartment-Modell
Beispiel für den zeitlichen Verlauf des Radioiod-Uptakes nach dem Zwei-Kompartment-Modell auf der Basis von drei Uptake-Messungen.
Zwei Uptake-Messungen (4 Tage und 7 Tage p.A.):
Werden die beiden späteren Uptake-Messungen herangezogen ergibt sich der rechts dargestellte Verlauf des entsprechenden einfachen exponentiellen Abfalls. Gut zu erkennen ist, dass der Verlauf nach Erreichen des Maximums mit dem des Zwei-Kompartment-Modells übereinstimmt. Im Bereich der Anreicherungsphase vor Erreichen des Maximums wird der Uptake jedoch überschätzt. Die Sich ergebene effektive Halbwertszeit beträgt:

T_{\text{eff.}} = \frac{\ln 2 \cdot (t_2 – t_1)}{\ln RIU(t_1) – \ln RIU(t_2)}= 5,7\,\text{d}

Und die zu applizierende Aktivität:

A = F \cdot \frac{M \cdot D}{T_{\text{eff.}} \cdot RIU(t_2) \cdot 2^{t_2 / T_{\text{eff.}} }} = 584,6\,\text{MBq}

Durch die angesprochene Überschätzung des Uptakes in der Anreicherungsphase ergibt sich in diesem Fall somit eine um 8,4% geringere Applikationsaktivität.

Radioiodtest_Methode_1+2_richtig
Vergleich des Radioiod-Uptakes bei zwei Messungen und richtiger Wahl der Messzeitpunkte mit dem des Zwei-Kompartiment-Modells.
Zwei Uptake-Messungen (1 Tag und 7 Tage p.A.):
Werden statt der beiden späteren Uptake-Messungen die erste nach einem Tag und die letzte nach sieben Tagen herangezogen ergibt sich der rechts dargestellte Verlauf des exponentiellen Abfalls. Aufgrund der in diesem Fall sehr langsamen Iodkinetik ist der maximale Uptake bei der ersten Messung nach einem Tag noch nicht erreicht. Wird nun die Exponentialfunktion durch diese beiden Punkte gefittet kommt es zu einer Überschätzung der Halbwertszeit und somit auch des Radioiod-Uptakes. Die so berechnete effektive Halbwertszeit beträgt:

T_{\text{eff.}} = \frac{\ln 2 \cdot (t_2 – t_1)}{\ln RIU(t_1) – \ln RIU(t_2)}= 9,1\,\text{d}

Da die effektive Halbwertszeit aufgrund der fehlerhaften Wahl der beiden Messpunkte über der physikalischen Halbwertszeit liegt, wird Teff = 8d zu angenommen. Somit ergibt sich eine zu applizierende Aktivität von:

A = F \cdot \frac{M \cdot D}{T_{\text{eff.}} \cdot RIU(t_2) \cdot 2^{t_2 / T_{\text{eff.}} }} = 532,8\,\text{MBq}

Verglichen mit dem Zwei-Kopartment-Modell ergibt sich so eine um 16,5% geringere Applikationsaktivität.

Radioiodtest_Methode_1+2_falsch
Vergleich des Radioiod-Uptakes bei zwei Messungen und fehlerhafter Wahl der Messzeitpunkte mit dem des Zwei-Kompartiment-Modells.
Eine späte Uptake-Messung (7 Tage p.A.):

Im Falle einer einzelnen späten Messung wird die effektive Halbwertszeit durch den Messzeitpunkt genähert

T_{\text{eff.}} \approx t_1 = 7\,\text{d},

sodass sich der nebenstehende Verlauf von Die Applikationsaktivität ergibt sich zu:

A = F \cdot \frac{M \cdot D}{2 \cdot RIU(t_1) \cdot t_1} = 557,4\,\text{MBq}

Diese ist um 12,6% geringer als die mit dem Zwei-Kompartment-Modell berechnete Aktivität. Die Genauigkeit dieses Verfahrens hängt davon ab, in wie weit der Messzeitpunkt mit der tatsächlichen effektiven Halbwertszeit übereinstimmt. Je nach dem wird der Radioiod-Uptake dabei unter- oder überschätzt.

 

Radioiodtest_Methode_3+1
Vergleich des Radioiod-Uptakes bei einer späten Messung mit dem des Zwei-Kompartiment-Modells.

Das Beispiel zeigt, dass neben der Volumetrie im Rahmen der Sonographie die Wahl des verwendeten Berechnungsmodells und der Messzeitpunkte einen entscheidenden Einfluss auf die Genauigkeit der Aktivitätsberechnung bei der RIT hat. Insbesondere bei sehr langsamen Iodkinetiken empfiehlt sich die Anwendung des Zwei-Kompartment-Modells.

Sonderfall unifokale Autonomie

Wenn Knoten mit erhöhter Tc-99m Anreicherung im Vorfeld eines Radioiodtests bzw. einer RIT auffälliges Wachstumsverhalten gezeigt haben oder mit einem normalen TSH-Spiegel einhergehen, kann im Rahmen des Radioiodtests durch eine planare Szintigraphie das Iod-Speicherverhalten des Knotens relativ zur restlichen Schilddrüse dargestellt werden. Im Idealfall ist hier der Radioiodtest an einer Einkopf-Gammakamera durchzuführen, da somit die separate Ermittlung der Radioiodkinetiken von Knoten und restlicher Schilddrüse möglich ist. Dies hat den Vorteil, dass zum Einen der zu therapierende Knoten gezielt dosimetriert werden kann und zum Anderen die dabei entstehende Dosis in der gegebenenfalls zu schonenden restlichen Schilddrüse, die im Regelfall nicht größer als 200Gy sein sollte, dokumentiert werden kann.

Unifokale Autonomie
Verteilungsszintigramm einer unifokalen Autonomie mit zusätzlicher Anreicherung im restlichen Schilddrüsengewebe.
Unifokale Autonimie Berechnung
Berechnung des relativen Uptake-Anteils der Autonomie am Gesamt-Uptake.

Weiteres in Arbeit...

Weiterführende Literatur / Wichtige Dokumente

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