Thermolumineszenz

Als Thermolumineszenz (TL) wird der Prozess bezeichnet, bei dem ein Material nach der Bestrahlung unter Zugabe von Wärmeenergie Photonen emittiert.

Funktionsprinzip

Anschaulich lässt sich der Vorgang mithilfe des Bändermodells für Festkörper erklären. Das höchste Energieband, das vollständig mit Elektronen gefüllt ist, wird als Valenzband bezeichnet. Energetisch oberhalb dessen befindet sich das Leitungsband, das vor der Bestrahlung keine Elektronen enthält. Trifft ionisierende Strahlung auf einen solchen Festkörper, kommt es zur Bildung von Elektronen-Loch-Paaren. Die Elektronen werden dabei aus dem Valenzband in das Leitungsband gehoben, während dies für Löcher im Valenzband geschieht. Damit es zur Aussendung von TL-Licht kommen kann, muss das Material dotiert, also mit Fremdatomen verunreinigt sein. Durch die Dotierung entstehen zwischen dem Valenz- und Leitungsband metastabile Zwischenzustände, die als Traps bezeichnet werden. Fallen die Elektronen aus dem Leitungsband zurück in das Valenzband, können sie in diesen Traps gefangen und erst durch Zufuhr von Energie daraus befreit werden. Bei der Thermolumineszenz geschieht dies durch Erhitzen des Materials. Der gleiche Effekt ist bei Löchern möglich, wobei diese in Traps, die als Rekombinationszentren bezeichnet werden, gefangen werden können. Durch das Erhitzen des Materials werden die Elektronen aus den Traps in das Leitungsband gehoben. Beim Rückfall in das Valenzband können sie mit Löchern aus den Rekombinationszentren rekombinieren. Dabei kommt es zur Aussendung von TL-Licht, welches proportional zur absorbierten Strahlung und dementsprechend zur Dosis ist.

Thermolumineszenz - Darstellung des Bändermodells
Darstellung des Bändermodells. Zwischen dem Valenzband (unten) und dem Leitungsband (oben) befinden sich die metastabilen Zustände, die für Elektronen als Traps (blau) und für Löcher als Rekombinationszentren (rot) bezeichnet werden. 1: Die bei der Bestrahlung entstehenden freien Elektronen werden in Traps und die Löcher in Rekombinationszentren gefangen. 2: Das Elektron wird aus einem Trap befreit und rekombiniert mit einem Loch unter Aussendung von Photonen. (Abb. nach Robert Theinert. „Estimation of fading time and irradiation dose in thermoluminescence dosimetry using uni- and multivariate analysis techniques, Dissertation, TU Dortmund, 2018.)

Thermolumineszenzdosimetrie

Die Proportionalität der Photonenemission zur Dosis ermöglicht die Verwendung thermolumineszierender Materialien als Detektoren für ionisierende Strahlung. In der klinischen Dosimetrie wird häufig Lithiumflourid (LiF), welches mit Magnesium und Titan dotiert ist (LiF:Mg,Ti), verwendet, da es aufgrund seiner effektiven Ordnungszahl von Z_eff = 8, 14 gewebeäquivalent ist (Z_eff ~ 7, 4 für Weichteilgewebe). Dieses Material wird auch für die Messungen in dieser Arbeit genutzt. Um die Dosis der bestrahlten Thermolumineszenzdetektoren (TLDs) zu messen, wird das ausgesandte Licht mithilfe von Photomultipliern detektiert. Bei der Auswertung der TLDs nach der Bestrahlung wird ein temperaturabhängiges Profil der emittierten Lichtintensität erstellt, welches als Glühkurve bezeichnet wird.

Darstellung der TLD-Ausleseeinheit mit indirekter Heizung über einen Heizfinger bestehend aus Schieber und Träger, Photomultiplier und Filter, der N2-Gaszufuhr sowie einem Heizfinger. Das Thermoelement ist hier nicht dargestellt.
Darstellung der TLD-Ausleseeinheit mit indirekter Heizung über einen Heizfinger bestehend aus Schieber und Träger, Photomultiplier und Filter, der N2-Gaszufuhr sowie einem Heizfinger. Das Thermoelement ist hier nicht dargestellt.

Der TLD wird dabei auf dem Träger eines beweglichen Schiebers positioniert. Darüber befindet sich ein Photomultiplier, der durch einen Filter vor Infrarotstrahlung geschützt wird und die Lichtmenge misst. Der Träger ist über den Heizfinger mit dem Thermoelement verbunden und kann dadurch aufgeheizt werden. Außerdem kann optional über die Gaszufuhr der Photomultiplier mit Stickstoff gekühlt werden. Viele thermolumineszierende Materialien haben üblicherweise mehrere Traps, die sich jeweils in ihrer energetischen Lage voneinander unterscheiden. Dies führt zur Ausbildung mehrerer Intensitätsmaxima (Peaks) in den Glühkurven. Die Fläche unter der Glühkurve ist proportional zur bestrahlten Dosis. Nach der Auslese werden die TLDs in einem Ofen ausgeheizt, um eventuelle Restsignale zu löschen und die Trapstrukturen wiederherzustellen, sodass sie erneut für Messungen verwendet werden können.

Glühkurve von einem TLD (LiF-Mg-Ti)
Glühkurve (schwarz) von LiF:Mg,Ti bei einer Bestrahlung von 15 mSv, was einer Dosis von 15 mGy in Gewebe entspricht. Die Kurve setzt sich dabei aus den einzelnen Peaks (P2-P5) zusammen, die aufgrund der unterschiedlichen Trapniveaus entstehen. Aufgrund seiner geringen Halbwertszeit ist Peak 1 (P1) nicht mehr sichtbar (Abb. nach Robert Theinert. „Estimation of fading time and irradiation dose in thermoluminescence dosimetry using uni- and multivariate analysis techniques, Dissertation, TU Dortmund, 2018.)

Die emittierte Lichtmenge hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem vom Material der TLDs sowie der Strahlungsqualität. Deshalb müssen die TLDs vor dem Gebrauch durch Bestrahlung mit einer bekannten Dosis kalibriert werden, sodass sich die bei der Auslese bestimmte Ladungsmenge Q in eine Dosis

D = \frac{Q}{k} \: \cdot \: h

umrechnen lässt. Neben dem Kalibrierfaktor k ist außerdem die Feldinhomogenität h des Strahlenfeldes zu berücksichtigen. Da jedes TLD ein individuelles Ansprechvermögen besitzt, muss jedem ein Kalibrierfaktor zugewiesen werden. Um eine Kalibrierung durchzuführen, muss an dem jeweiligen Ort die Dosis bekannt sein und der dortige Dosisgradient möglichst flach sein, um Dosisabweichungen aus resultierenden Positionierungsungenauigkeiten zu minimieren.

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